Sagen vom Hoch-Gosch

1. Die dichten Tannen- und Fichtenwaldungen, von denen das Schloß Hoch-Gosch umrahmt ist, gehörten ehemals der Herrschaft Millstatt. Vor nahezu hundert Jahren war in diesen Waldungen ein Bauer, namens Plötsch, mit Holzfällen beschäftigt. Da er über Mittag vom Hause blieb, hatte er sich ein Stück Schwarzbrot als Jause mitgenommen; mehr konnte ihm sein Weib nicht mitgeben, denn die Leute waren arm. Beim Beginn der Arbeit hängte Plötsch feine Joppe an einen Baum in seiner Nähe. Als er gegen Abend, müde von der Arbeit, Hunger verspürte, wollte er nach seinem Brote langen, doch wie staunte er; die Joppe hing nicht mehr an dem Baume. Bald gewahrte er sie. An den ober ihm anlaufenden Felswänden sah er eine Tür und an deren Schnalle hing sein Rock. Da er ein beherzter Mann war, öffnete er die Tür, um zu sehen, was dahinter für Räume liegen mochten. Nach wenigen Schritten war er durch einen Felsengang in ein weites, lichtes Gewölbe getreten, in welchem große Haufen Getreide aufgeschichtet lagen. Plötsch wußte vor Freude nicht, was er tun sollte. Damit konnte er doch seinen leeren Kornkasten füllen und mit einem Male der Not entgehen, die sonst den Winter über bei ihm zu Gaste gewesen wäre. Nachdem er seine Augen an der Menge und Schönheit des Getreides sattsam geweidet hatte, griff er zu und steckte von jedem Haufen soviel ein, als in den Taschen seines Gewandes Platz hatte. Wie wenig bringe ich unter, dachte er bei sich selbst; es ist besser, ich gehe heim, spanne meine Kühe in einen Waagen, fahre herauf, fasse es in Säcke und führe es weg. Zu seinem Wleibe heimgekommen, erzählte er von seinem glücklichen Fund. „Da, schau nur her“, sagte er zu der Ungläubigen und griff in eine Tasche, um ihr eine Handvoll Getreide zu zeigen - doch, o Wunder! er hielt lauter Gold und Silber in der Hand.

Plötsch hatte nichts Eiligeres zu tun, als wieder zur Felstür hinauf zu rennen, allein da war nicht die geringste Spur davon mehr zu entdecken. Was nun?

Irgendwo in der Nähe des Schlosses Wernberg war eine uralte Kapelle, der heiligen Magdalena geweiht. Dort befand sich ein Totenkopf, der an bestimmten Tagen, wenn man ihn überstieß, drei an ihn gerichtete Fragen beantwortete. Von diesem hatte Plötsch gehört und machte sich sogleich auf den Weg zur Kapelle. Als er an den Totenkopf nebst zwei anderen Fragen auch die richtete, wann die Felsentür des Hoch-Gosch wieder sichtbar weide und wann er den dahinter verborgenen Schatz heben könne, antwortete er: In den drei heiligen Nächten jedes Jahres. Froh über diese Nachricht und in der sicheren Erwartung, daß er in kurzer Zeit unermeßliche Reichtümer besitzen werde, kehrte er nach Hause zurück und teilte seine Absicht auch zweien seiner Bekannten mit. Die Oster- und Pfingstnacht waren vorüber, also wartete Plötsch sehnsüchtig auf Weihnachten. Doch er starb früher, als die Zeit kam.

Die beiden, welche durch ihn in das Geheimnis eingeweiht waren, verabredeten sich, in der nahenden heiligen Nacht den Schatz zu heben. Als sie kam, gebrach es jedoch dem Lechenbauer an Mut und sein Weib wollte schon gar nichts davon wissen. So mußte sich Jörg allein auf den Weg machen.

Er hatte schon eine gute Weile auf den Augenblick, wo die Tür erscheinen sollte, betend gewartet. Da tönten von Millstatt herauf die Glocken, welche zur Mette läuteten. Im gleichen Augenblick vernahm er von ferne ein Gerassel wie von daherfahrenden Pferden und Wagen. Es kam immer näher und näher, endlich ganz dicht an ihn heran. Da erfaßte ihn Schrecken und Furcht, daß er eilends entfloh. Seine Erzählung über das grauenhafte Gerassel hat seither jeden von einem ähnlichen Versuche abgehalten.

Im Jahre 1853, so erzählte der sogenannte „Blinde Peter!, hütete ich nächst dem Schlosse Hoch-Gosch meine Schafe. Es war Ostersonntag. Als die Glocken von Millstatt die Leute zum Gottesdienst riefen, hörte ich ein furchtbares Geräusch und Gewirre von Stimmen an der Stelle, wo das Schloß stand. Meine Schafe flohen scheu auseinander, ich machte mich ebenfalls aus dem Staube und kann mich heute noch eines gewissen Grauens nicht erwehren, wenn ich in jene Gegend komme.

 

2.

Blick über Millstatt und den Millstätter See. Der Höhenzug hinter dem See ist der Hochgosch. Dahinter das Goldegg © Harald Hartmann

Blick über Millstatt und den Millstätter See. Der Höhenzug hinter dem See ist der Hochgosch. Dahinter das Goldegg.
© Harald Hartmann, August 2006

Zwischen dem grünen Drautale und dem schöngelegenen blauen Millstättersee, dessen Reize manchen naturliebenden Ausflügler anziehen, breitet sich der Wolfberg mit der höchsten Erhebung, dem Hoch-Gosch, aus. In diesem Berge soll ein großer Schatz verborgen sein, welcher zahlreiche Abenteurer von fern und nah herbeilockte. Doch soviel diese auch suchten und die waldigen Berglehnen des Hoch-Gosch durchstöberten, fanden oder sahen sie vom Schatze nichts. Einst machte sich ein armer Bauer auf, um in seinem Walde, der sich an den sanften und steilen Hängen des Hoch-Gosch ausbreitete, Baumstämme zu fällen. Sein Weg führte ihn auch am „Lechenbauerhof“ vorüber, dessen Besitzer eben in Hemdärmeln vor der Haustür stand, unserem Bäuerlein einen guten Morgen wünschte und ihn auch über das „Wohin“ der Reise fragte. Als aber der redselige Lechenbauer erfuhr, daß er die Absicht habe, die Waldarbeiten zu beginnen, warnte er ihn, indem er sagte, er habe heute nacht grausiges Johlen und Schreien vernommen, ein Zeichen, daß die Berggeister des Hoch-Gosch auf Erlösung harren. Doch unser Bauer ließ sich nicht bereden, sondern machte sich frischen Mutes auf den Weg. Bald jedoch verlor er diesen und fand sich im Dickicht des Waldes nicht mehr zurecht. Dichtes Gestrüpp und hohe Bäume versperrten ihm die Aussicht. Doch endlich lichtete sich der Wald und er gelangte auf eine freie Stelle. Vor sich bemerkte er einen mächtig hohen Felsen, in dem sich eine dunkle Grotte befand, aus deren Tiefe ihm ein Lichtstrahl entgegendrang. Verwundert ob dieses Anblickes betrat er sie. Doch sein Erstaunen sollte sich nur noch erhöhen, denn plötzlich sah er sich in einem vornehmen Rittersaal, dessen Wände und Schmuck aus purem Golde bestanden. Eine altertümliche Ampel, die in der Mitte der buntbemalten Decke aufgehängt war, übergoß das unheimliche Gemach mit einem geisterhaften Schein. Auch einen riesigen Getreidehaufen erblickte der erschrockene Bauer und verwunderte sich über dessen Vorhandensein an einem solchen Orte. Schon wollte er vom aufgespeicherten Korn etwas nehmen, um es seinem Weibe und den Kindern zu bringen, die oft große Not leiden mußten, da erschien plötzlich ein geharnischter Ritter, welcher ihn aufforderte, vom Vorrat zu nehmen, soviel er wolle. Die mächtige Gestalt des Ritters umschloß eine goldene Rüstung. Üppige rotblonde Locken drängten sich mutwillig unter seinem mit Edelsteinen besetzten Helm hervor und fielen in goldenen Rollen über die breiten, kräftigen Schultern hinab. Einen bittenden Blick aus seinen blauen Augen auf den erstaunten Bauer werfend, verschwand er. Der Bauer füllte nun seine Taschen mit Korn und begab sich nachher auf den Heimweg. Er war gesinnt, mit einem Wagen wiederzukehren, um dann das ganze hier aufgespeicherte Getreide nach seinem Heim zu schaffen. Doch seine Hoffnung sollte zunichte werden, denn er fand bei seiner Wiederkehr weder die wunderbare Grotte noch den Getreidevorrat. Überallhin spähend gewahrte er plötzlich in einer Felsnische die hünenhafte Gestalt des Ritters, der den Bauer mit traurigen Blicken maß. Er streckte seine kräftigen Arme abwehrend in die Luft und sprach: „Bauer, hättest du das ganze Getreide hinausgeschafft, so wäre ich jetzt erlöst. So aber muß ich noch viele Jahre hier schmachten, denn erst nach langer Zeit werden sich die Tore des Felsens wieder einem Menschenkinde öffnen.“ Nach diesen Worten verschwand die Erscheinung. Auch der Bauer begab sich mit seinen Achsen nach Hause. Unterwegs wollte er das Korn, das er in der Höhle zu sich gesteckt hatte, nochmals besichtigen. Nie groß aber war seine Freude, als er entdeckte, daß er nicht Korn in der Tasche hatte, sondern Gold. Jetzt kam er erst zur Einsicht, wie unklug er gehandelt hatte. Aber auch dies wenige Geld brachte ihm Glück. Er baute sich ein neues Haus und durch fleißiges Schaffen gelang es ihm, einer der angesehensten Bauern zu werden.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
© digitaler Reprint: www.SAGEN.at