Die Höhle der Waldfrauen
Östlich von Ruden erhebt sich, von der Straße umsäumt, der Weißeneggerberg. Von der Straße aus sieht man eine Höhle, in welcher einst mehrere Waldfrauen hausten. Des Nachts besuchten sie die umliegenden Bauernhöfe. Auf dem der Höhle zunächst liegenden Gute erschien täglich vor Einbruch der Nacht eine Waldfrau, um in dem für sie bereitgehaltenen Bette auszuruhen. Zum Danke dafür gab sie dem Besitzer den Rat, im Fasching trotz des Schnees auf seinem Felde Bohnen zu säen. Er tat, wie ihm geheißen. Doch zu seinem Leidwesen wurden sämtliche Früchte von herbeigeflogenen Tauben aufgefressen. Dennoch wuchsen nach der Schneeschmelze an derselben Stelle die schönsten Pflänzchen aus dem Boden, und er hatte eine reiche Bohnenernte.
Bevor das Weib das gastliche Haus für immer verließ, erwies es dem Bauer noch eine letzte Wohltat. Es reichte ihm einen Knäuel Flachsgarn, das kein Ende hatte, verbot ihm aber, jemand das Geheimnis zu verraten. Die Bauersleute wickelten nun viele Jahre von dem Wunderknäuel Garn ab und gelangten dadurch zu großem Reichtum. Einmal aber verriet ein Knecht, den der Bauer entlassen hatte, aus Rache das Geheimnis seinem neuen Dienstherrn. Die Folge davon war, daß der wunderbare Knäuel alsbald ein Ende nahm.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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