Das Höllentor auf der Saualpe
An den schönen und mit zahlreichen Alpenblumen bewachsenen Abhängen der Saualpe hatte einst ein Bauer einen großen Besitz. Er war sehr habsüchtig, und trotzdem ging es von Jahr zu Jahr mit seiner Wirtschaft abwärts, so daß er zuletzt nur mehr eine Kuh im Stalle hatte. Er zahlte seinem Knechte keinen Lohn mehr aus, weshalb dieser den Dienst kündigte. Einige Tage darauf kam er zum Militär. Dort erzählte er den Fall mit seinem früheren Dienstgeber, und sofort wurde die Anzeige gegen den Bauer erstattet. Eine Gerichtskommission erschien auf dem Hofe und nahm die Pfändung vor. Der Bauer war darüber sehr erbost, daß ihm noch die letzte Kuh genommen werden sollte, ging in die nächste Stube und erhängte sich. Die Gerichtsbeamten, denen die lange Abwesenheit des Bauers auffiel, suchten ihn im ganzen Hause. Endlich fanden sie ihn, aber es war schon zu spät. Und da die Leute vergaßen, eine Handvoll Weihwasser, wie es Brauch ist, auf den erhängten Mann zu schütten, hatte er bereits seinen Geist aufgeben müssen.
Zur selben Zeit sah der Nachbar, der auch herbeigekommen war, den Bauer vom Hause fortgehen. Er fragte ihn, wohin er gehe. Dieser antwortete: „Ich habe mich ja erhängt und deshalb muß ich zur Hölle fahren.“ Aber auch noch anderen Leuten erschien der Tote.
Da dieser Bauer ein sogenannter Sonntagsjäger war und an den Sonn- und Feiertagen, anstatt den heiligen Gottesdienst zu besuchen, dem lustigen Weidwerk nachging, so mußte er dies besonders büßen. Er ging nun schnellen Schrittes über dick und dünn gerade dem Sauofen zu. Oberhalb der Forster Kirche verlor die Gestalt den Kopf, und schädellose Hunde gesellten sich zu ihr, und mit schrecklichem Gebell und Lärm ging es die Alpe hinan.
Am Gipfel der Saualpe war gerade ein heftiges Gewitter ausgebrochen. Einige müde Wanderer suchten in den Höhlen des Sauofens Schutz. Da kam plötzlich ein herrlicher Wagen, der von Feuer umgeben und mit zwei feurigen Rossen bespannt war, angefahren. Auf einmal öffnete sich der eine Felsen, und aus dem Wagen stieg der Bauer, der sich erhängt hatte, trat ein und verschwand. Die Wanderer erschraken vor der geisterhaften Erscheinung und suchten vor Grausen im Dunkel der Nacht das Weite. Der Wagen aber fuhr mit Windeseile in den Löllingergraben hinunter.
Das Loch ist seit dieser Zeit offen geblieben, und der Volksmund nennt es das Höllentor.
Das betreffende Bauernhaus wurde früher alle Samstag abends von einem Geisterspuke heimgesucht, der sich in einem grauenerregenden Krachen aller Fugen des Hauses und Stalles äußerte. Damit dieser Spuk aufhöre, errichtete man in der Nähe des Hauses eine Kapelle, die aber dreimal von unsichtbaren Händen zerstört wurde. Als sie das viertemal erneuert wurde, schlug in sie der Blitz ein, richtete aber keinen Schaden an. Seit der Zeit ist es in dem Hause ruhig, und die Leute sind herzlich froh, daß der Geisterspuk aufgehört hat.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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