Warum der Hüttenberger Erzberg kein Gold mehr führt
Vor alten Zeiten wurde im Hüttenberger Erzberge nicht nur Eisen, sondern auch gleißendes Gold gewonnen. Der Reichtum der Knappen nahm täglich zu, aber auch ihr Übermut, und so lebten sie lustig dahin, als könnte es nie anders werden. Doch die bösen Folgen ihres frevelhaften Treibens blieben nicht aus.
Es war ein Sonntagnachmittag. Eine Anzahl Bergknappen vergnügte sich in der Dorfschenke am Kegelspiel. Immer und immer wieder flogen die goldenen Kugeln über die glatte Bahn, Flüche und rohe Scherzworte begleiteten sie. Abseits stand ein altes Weib mit einem blassen Kind am Arme und sah dem sündhaften Treiben zu. Sehnsüchtig dachte es: „Hätte ich doch nur eine einzige von den goldenen Kegelkugeln, und mir und meinem armen Kinde wäre für immer geholfen." Niemand achtete auf sie, denn alle waren mit Leib und Seele beim Spiel, besonders einer der Knappen, der schon einen ganzen Berg funkelnden Goldes vor sich hatte und mit nimmersatter Habgier weiterkegelte. Da wandte sich plötzlich das Glück. Er verlor ein Goldstück nach dem andern, und bald hatte er nicht nur den ganzen Gewinn, sondern auch einen großen Teil seines Besitzes verloren. Da fiel sein Blick auf das Weib, welches mit Schrecken und Abscheu noch immer dastand und dem Spiele zusah. „Bringt mir die goldene Kugel kein Glück, hei! so will ich es mit einer beinernen versuchen." Sprach's und hieb dem Kindlein den Kopf ab. Die unglückliche Mutter stand wie versteinert, und auch die Zechgenossen sahen starr dem Treiben des Ruchlosen zu. Doch als der Kopf des armen Kindes die lange Bahn hinabrollte, erwachte das Weib aus seiner Betäubung, und schrecklich klang der Fluch, welchen es ausstieß: „Weh, ihr Gottlosen, nie mehr sollt ihr euch des Bergsegens freuen, den ihr so mißbraucht!" Sie holte eine eiserne Henne und warf sie den Knappen vor die Füße, indem sie fortfuhr: „Solange diese Henne kein Ei legt, soll von heute an kein Gold mehr in euren Gruben zu finden sein." Dann verließ sie die Schenke, und niemand wußte, wer sie war und wohin sie ging. Ihr Fluch ging in Erfüllung, und seit jener Zeit findet man im Hüttenberger Erzberge nur Eisen.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
© digitaler Reprint: www.SAGEN.at