Der geduldige Kirchenpatron
Südlich von Gmünd liegt auf einem waldigen Ausläufer des Tschirnocks das Dörfchen Platz mit einer zerfallenen Kirche, an deren Außenwand die Reste eines Christophorusbildes zu sehen sind. In dem großen Felde unter der Ortschaft, wo der steile Weg von Gmünd heraufkommt und sich die malerische Aussicht auf das alte Städtchen im grünen Talbecken öffnet, lag bis vor wenigen Jahren ein großer, flacher Stein, in dem zwei sehr große Fußstapfen deutlich abgedrückt waren. Der Volksmund erzählt darüber folgendes:
Es war in der Zeit, als fast alle Bewohner der Gegend protestantisch waren, an einem Tage, an dem alljährlich von Gmünd nach Platz eine Prozession zu gehen pflegte. Die bestimmte Stunde kam heran, jedoch keine Prozession nahte. Da erschien plötzlich der Platzer Kirchenpatron in voller Rüstung, eine Fahne in der Rechten, schritt zum Platzer Felde, wo man nach Gmünd sieht, und stellte sich auf den flachen Stein am Wege. Geduldig wartete der Heilige, aber vergeblich. Die Prozession kam nicht, weil in Gmünd allesamt lutherisch geworden waren. Als die Sonne sank, verschwand der geduldige Kirchenpatron. Seine Schuhe waren jedoch tagsüber unter dem großen Gewichte der Rüstung und des Banners in den Stein ein wenig eingesunken und hatten so die beiden Abdrücke hinterlassen.
Das merkwürdige Felsstück ist leider von einem Platzer Bauern vor einigen Jahren zersprengt und zum Hausbau verwendet worden.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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