Wie Klagenfurt zu seinem Namen kam
Klagenfurt soll vor Zeiten Glanfurt, also nach der über die Glan führenden Furt, geheißen haben, bis eine Begebenheit die Bürger bewog, ihren Markt umzutaufen. Aeneas Sylvius, der nachmalige Papst Pius II., erzählt von den Klagenfurtern folgende satirische Anekdote: Es sei dort Sitte, bei Rechtsverfahren gegen Diebe, sie ohne weiteres, ohne vorhergegangene Beweisführung und Erhebung der Sache, auf bloße Inzicht hin aufzuhängen. Erwahre sich die Anklage, so bleibe der Dieb am Galgen hängen, wo aber nicht, so nehme man ihn vom Hochgerichte, begrabe ihn in dem gewöhnlichen Friedhofe und halte seiner Seele, der Gott gnädig sein wolle, feierliche Exequien.
Vielleicht wollte der gelehrte Verfasser auf die Sage vom Bäckerjungen anspielen, die vormals in Klagenfurt gang und gäbe war. Ein Bäckerjunge, dessen Meister die zum Einkaufe des Getreides bereiteten Geldsäcke auf die Mehltruhe zu legen pflegte, öffnete einst, unbekannt mit der Gewohnheit des Meisters und ohne die Säcke zu beachten, die Kiste. Da die Geldscheine damals klein und von leichtem Gewichte waren und der Meister sie überdies zusammengefaltet hatte, merkte der Junge nicht, daß sie beim Heben des Deckels abglitten und in den Mehlstaub hinter der Truhe fielen. Ohne das verlorene Geld lange zu suchen, bezichtigte der Mister sogleich den armen Knaben des Diebstahls und zeigte ihn beim Richter an, der ihn mit den Gerichtsschöppen anfänglich zur Folter, dann, als der Gequälte ein erzwungenes Geständnis ablegte, zum Galgen verurteilte. Das Urteil ward vollzogen, aber gleich darauf fand man zufällig hinter dem Mehlkasten das verlorene Geld und jetzt erwies es sich klar, welche Bewandtnis es mit dem Diebstahle gehabt hatte. Der Meister geriet in Raserei; doch da ein Toter nicht wieder lebendig gemacht werden konnte, wußte der Richter mit dem Rate den verhängnisvollen Irrtum nicht anders zu sühnen, als daß er durch feierliches Gelöbnis und Opfer gleichsam um Vergebung der Blutschuld beim ewigen Richter einkam. Die ganze Bürgerschaft beschloß einmütig, um nie wieder ihre Hände mit so himmelschreiender Ungerechtigkeit zu beflecken, daß hinfort der Ort Klagenfurt heißen und sich so die Klage über die begangene Tat auf die spätesten Enkel vererben solle.
Noch lange zeigte man den Eingeborenen und Fremden das Bäckerhaus (dem damaligen Rathause gegenüber), an dessen Ecke ein steinerner Kopf eingemauert war, und einen gleichen im vorhin Schliberschen Gasthofe am Fenstererker im Hofe, als dem damaligen Gerichtshause, welche die Nachkommenschaft wie Warner anreden und das ungerechte Todesurteil sühnen sollten.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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