Die Erstürmung des Klosters Millstatt
Es war in den Dreißigerjahren des achtzehnten Jahrhunderts, als die Jesuiten des Klosters Millstatt ihre Untertanen schwer bedrückten. Die Bauern mußten Frondienste leisten, die Felder bebauen, auf die Jagd gehen und auch die schweren Arbeiten im Kloster verrichten, waren also hart geplagt, während die Mönche ein herrliches Leben führten. Deshalb murrten sie wider ihre Unterdrücker und sehnten sich alle nach Freiheit. Um der Not abzuhelfen, begab sich eine Abordnung, bestehend aus zwei Bauern, das waren der vulgo Tomas in Dellach und der vulgo Tomas in Obermillstatt, mit einem Bittgesuche zum kaiserlichen Hof nach Wien. Dort angekommen, wanderten die beiden Bittsteller zur Hofburg. Nach längerem Warten im Empfangssaale erschien ein Herr, den sie für den Kaiser hielten. Sie überreichten ihm das Gesuch und baten auch mündlich in bewegten Worten um Abhilfe.
Der vermeintliche Kaiser war der damalige Hofnarr Paul Zopf, ein gewesener Winkeladvokat aus Wien; er nahm das Gesuch entgegen und versicherte den beiden Bauern, daß ihnen geholfen werden solle. Sie waren des zufrieden und kehrten beruhigt nach Hause zurück. Naach einiger Zeit erschien wirklich in Millstatt Paul Zopf selbst. Jetzt wurden geheime Bauernversammlungen abgehalten und über Veranlassung des Zopf beschlossen, das Kloster zu stürmen, die Mönche zu vertreiben und das Klostergebäude in Brand zu stecken. Nicht lange wartete man mit der Ausführung dieses Beschlusses.
Die Bauern rotteten sich zusammen und schritten unter Anführung des Paul Zopf zur Tat. Das Kloster wurde geplündert, die Mönche teils erschlagen, teils gefangengenommen und das ganze Klostergebäude in Brand gesteckt. Einem der Mönche gelang es aber zu entkommen. Dieser eilte nach dem zwei Stunden entfernten Markte Spittal an der Drau und alarmierte die dortige Bürgerschaft. Zu Pferde sprengte man dem mittlerweile abgereisten Anstifter Zopf nach.
Er wollte eben über Kleinkirchheim, wohin er auf einem Schimmel geflüchtet war, nach dem nächsten Orte Zedlitzdorf gelangen, um auch das dortige Kloster mit Hilfe der aufgewiegelten Bauern zu zerstören. Die Verfolger ereilten ihn an der sogenannten Loitratten in Kleinkirchheim, damals eine offene Pferdeweide, umzingelten ihn und nahmen ihn gefangen. Fünf Minuten vorher hatte Zopf beim Trattlerwirt in Untertschern ein Glas Wein getrunken. Diese letzte Begebenheit ist an dem genannten, noch heute bestehenden Gasthause durch ein unscheinbares Gemälde verewigt: Paul Zopf sitzt auf dem Pferde, der Wirt steht neben ihm und reicht ihm ein Glas Wein Die Aufschrift lautet: „Paul Zopf, Hofnarr bei Kaiser Josef I., gewesener Winkeladvokat in Wien, hat hier, als er nach Zedlitzdorf wollte, das Kloster zerstören, Wein getrunken und wurde gleich darauf gefangen am 2. Nooember 1737."
Auch die zwei anderen Bauern ereilte das Schicksal. Sie wurden zum Tode verurteilt und an der Stätte zum sogenannten Zopfenkopf bei Millstatt durch den Strang hingerichtet, Zopf aber enthauptet. Der Kopf des Anstifters wurde in einem Gitterkäfig an einer Felswand neben der Landstraße zur Warnung für die aufrührerischen Bauern ausgestellt. Später wurden die Klostergüter von Kaiser Josef eingezogen und dem Religionsfonds einverleibt.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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