Liebeszauber

Früher konnten die Mädchen ihre Liebhaber nach Belieben zwingen, sie zu besuchen. Zu diesem Zwecke stellten sie einen Topf mit Wasser auf den Herd. Wenn das Wasser zu sieden begann, mußte der Bursche seinen Weg zum Liebchen antreten.

Ein Bursche klagte nun seinen Kameraden, daß er allabendlich den weiten Weg zu seiner Geliebten zurücklegen müsse. Der Zweite war ein heller Kopf und wußte sogleich Rat; er solle seinen Leibriemen um den Holzblock schnüren, auf dem er „Tass'n“ (Fichtenreisig) hacke. Dies tat er denn auch kopfschüttelnd, aber sieh da! Der Holzblock fing an, sich zu bewegen und wanderte zur Geliebten des Burschen. Mit großem Gepolter wälzte er sich die Stiege hinan auf den Dachboden, wo das Mädchen lag. Dieses sprang zu Tod erschrocken aus dem Bette. Der Klotz hüpfte auf das Lager und zerstampftes in tausend Trümmer. Hätte sich das Mädchen nicht geflüchtet, so wäre es ihr wohl ebenso ergangen. (Zell.)

Dem Schafhirten Klaman beim Skutouz in Zell begegnete nachts einmal, als er von Freibach nach Hause ging, ein alleingehender Stiefel, der gleichmäßig klappernd: schaulate, schaulate sich vorwärts bewegte. Klaman gab ihm mit seinem kurzen Prügel einen Stoß, daß er über den Wegrand flog. Doch als er sich umblickte, hörte er den Snefel mit gleichem Geräusche weitereilen. Das war also ein Stiefel, den sein Besitzer an seiner Statt zum Liebchen schickte, weil es ihn wohl zu oft bestellte.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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