Die Burgfrau auf dem Magdalensberge

Vor Jahren stand auf dem Magdalensberge bei Lavamünd eine Burg, von der heute nur noch einige Gelasse erhalten sind. Eines Tages weidete ein altes Weib in der Nahe der Ruine sein Vieh. Als es sich zufällig umsah, gewahrte es auf einer der Mauern eine Frau sitzen; das Gespenst war nach Art der alten Burgfrauen gekleidet, trug einen weiten Rock und Niederschuhe. Nachdem das Weib das erste Grauen überwunden hatte, trat es neugierig näher; mit jedem Schritte, den es tat, verschwamm die Gestalt, bis sie endlich wie ein leichter Nebel vor seinen Augen verschwand. Das Weib trat nun durch eine Tür in ein noch gut erhaltenes Gemach, welches nur spärlich von den durch die Decke einfallenden Lichtstrahlen beleuchtet war. Als sich die Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, gewahrte es auf dem Boden drei Haufen Kohle, die es bei früheren Besuchen niemals bemerkt hatte. Die Frau faßte eine Schürze davon voll und wollte sich wieder entfernen, doch zu ihrem nicht geringen Schrecken war die Tür verschwunden, und sie warf entsetzt die Kohlen weg; da war auch die Tür wieder da. Nun lief das Weib hinunter in das Dorf und holte einige Bauern, die das Gemach untersuchten, ohne etwas Ungewöhnliches vorzufinden. Von der Kohle war keine Spur mehr vorhanden. Diese Begebenheit veranlaßte die Leute, einen ärmeren Bauer nach dem vermeintlichen Schatze graben zu lassen, was er längere Zeit hindurch auch tat. Als man dann endlich nachsehen ging, was er schaffe, da er mehrere Tage nicht nach Hause kam, war er nicht mehr dort, und alle Nachforschungen nach seinem Verbleibe vergebens. Auch hat niemand einen Schatz gehoben.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
© digitaler Reprint: www.SAGEN.at