Die Kirche von Maria-Gail

Im Dorfe Maria-Gail, südöstlich von Villach, steht eine alte Kirche, auf deren Südwand verschiedene Gestalten abgebildet sind. Diese Figuren, an die sich die Gründungssage der Kirche anknüpft, stellen einen Ritter, eine Frau und ein Ungeheuer dar. Die Geschichte soll sich folgendermaßen abgespielt haben: An der Stelle, wo jetzt die Kirche steht, befand sich einst eine Grube mit vielen giftigen Ungeheuern. Da lebte um das Jahr 1600 in Finkenstein der Freiherr Grotta von Grottenegg mit seiner Gemahlin Sigmunde in glücklicher Ehe. Sie bekamen ein Kind, das aber von einer Haut überwachsen war wie der Baum von der Rinde und sich nicht ablöste. Da betete nun Sigmunde zu Gott um Abhilfe. Im Traum erschien ihr ein Greis und sagte, sie müsse sich mit dem Kinde nach Maria-Gail begeben und dort um Mitternacht dreimal um die Grube reiten, dann werde das Kind gesunden. Sigmunde lag deshalb ihrem Manne an, sie reisen zu lassen. Doch weil dieser für das Leben seiner Gemahlin fürchtete, schlug er ihr die Bitte ab. Als aber die Freiherrin drei Nächte nacheinander ähnliche Träume hatte und daher ihren Gemahl noch inständiger bat, gestattete er ihr endlich die Reise.

Sigmunde brach nun auf. In Maria-Gail angekommen, ritt sie um Mitternacht mit ihrem Kinde zur Grube. Ein furchtbares Gewitter erhob sich, und die Ungeheuer schnappten nach der kühnen Frau. Doch diese ritt unerschrocken dreimal um die Grube. Am nächsten Tage kehrte sie nach Hause zurück. und wirklich löste sich hier die Rindenhaut vom Kinde.

Zum Danke für dieses Wunder ließ Sigmunde nun die Grube, in der wunderbarerweise die Untiere verschwunden waren, ausfüllen und daselbst eine Kirche bauen.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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