„Maria im Dorn" zu Feldkirchen
Nördlich von Feldkirchen breitet sich eine weite Hochebene bis gegen Poitschach und St. Ulrich aus. Ursprünglich war dieses Weideland im Besitze der Feldkirchner Pfarrer. Diese aber verpachteten es den verschiedenen Großgrundbesitzern, um Geld für ihren Säckel zu gewinnen. So war es auch im 15. Jahrhundert. Der damalige Pächter benutzte diese weite Fläche als Weideland. An der Nordseite war eine große Mauer aufgeführt, und an dieser wucherte eine große Heckenrose empor. Als eines Morgens die Rinder wieder ausgetrieben wurden, sah der Hirte, wie ein Ochs vor dem Strauch kniete, und er konnte ihn weder durch Schläge noch durch gütige Zurede von der Stelle bringen. Dies wiederholte sich drei Tage nacheinander. Endlich glaubte der Hirte, daß etwas Besonderes in diesem Rosenstrauch verborgen sein müsse. Er untersuchte ihn und fand darinnen ein wohlerhaltenes Bild, Maria mit dem Jesukinde auf dem Schoße. Das Bild wurde in die Mchaeli-kirche gebracht und an einer Seitenwand aufgehängt. Aber am nächsten Tag war es verschwunden. Dafür kniete vor der Staude wieder der Ochs, und als der Hirte kam, sah er, daß das Bild wieder dort war. Er brachte es zum Pfarrer zurück und dieser ließ es am gleichen Platze aufhängen. Am nächsten Tag geschah dasselbe. Als sich der Pfarrer zu Bett gelegt hatte, erschien ihm im Traum das Bild und Maria sprach zu ihm, wenn er ihr zu Ehren eine Kapelle errichte, werde das Bild bleiben. Als der Pfarrer diesen Traum dem Volke verkündete, wurde sogleich eine Geldsammlung eingeleitet und aus ihrem Erlöse die Kapelle auf dem Friedhof in Feldkirchen errichtet. Später, da viele Wunder an dem Gnadenbilde geschehen waren und viele Opfer in die Kirchenkasse strömten, wurde das linke Seitenschiff der jetzigen Pfarrkirche errichtet. Aber es war noch die Michaelikirche Pfarrkirche. Einmal starb ein reicher Feldkirchner Bürger und spendete sein ganzes Geld der Kirche. Davon wurde das Heiligtum in seiner jetzigen Größe erbaut. Zugleich wurde es zur Pfarrkirche erhoben und die Michaelikirche gesperrt. Sie wurde mit einer Mauer umgeben und auf vier Seiten Türme errichtet, ferner in den Mauern Schießscharten angebracht. Später riß man drei Türme ab und ließ den letzten zur Totengräberwohnung umgestalten.
In der Kirche selbst melden viele Votivbilder von jenen wunderbaren Vorfällen. Man zeigt auch an der Außenseite der östlichen Friedhofsmauer einen Heckenrosenstrauch, in dem das Bild gefunden wurde, weshalb die Kirche „Maria im Dorn" heißt. Sie trägt auch Spuren ihrer reichen Vergangenheit. Noch jetzt zeigt man im Innern des Turmes die Löcher, welche die Kanonenkugeln der Franzosen geschlagen haben; sie wurden nur außen verstopft. Die Glocken stammen von einem Klagenfurter Glockengießer.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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