Vom Melniksee
1. Auf einer hohen Alm des Maltatales liegt der tiefblaue Melniksee. Dort lebte einmal ein Almhalter. Er hatte nudelfette Ochsen, schöne Kühe und eine große Herde von wohlgenährten Schafen unter seiner Aufsicht. Eines Tages, als er so recht gemütlich zum See hinaufwanderte, sah er, daß seine zwei besten Ochsen eingejocht waren. Sie schwitzten über und über, daß es von ihnen nur so träufelte. Der Halter war darüber erstaunt und wie er so nach dem See schaute, erblickte er einen riesenhaften Mann, der auf ihn zuschritt. Der Riese aber kümmerte sich wenig um den Halter, sondern begann den Ochsen das Joch abzunehmen. Darüber ergrimmte der Halter, denn jetzt wußte er, wer daran Schuld trug, daß die Ochsen in letzter Zeit so herabgekommen waren. „Hålt, Bua, låß mir mei G'spånn in Ruah!“ Der Fremde hörte dies und gewahrte nun erst den Halter. Bedachtsam schritt er auf ihn zu, faßte ihn unsanft am Rocke und sprach in ernstem Tone: „Willst du mir dein Gespann lassen, so ist's recht, du kannst dein Glück dabei machen: willst du aber nicht, so...“ Sein Gesicht nahm eine unheilverkündende NMiene an und er wies mit dem Finger gegen den See. Der Halter, der vor Schreck käsebleich geworden war, überließ ihm nun gerne die Ochsen, weil er einerseits auf guten Lohn hoffte, anderseits um sein Leben bangte. Am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang plagte ihn die Neugierde und trieb ihn hinauf zum See. Dort fand er seine Ochsen ruhig grasen, aber jeder trug einen Klumpen Goldes an den Hörnern.
Wånn a Berggeist dir den Weg vertritt
und di ånraunt, er hält' a Bitt’,
tua's ihm jå und schlåg's nit åb,
nåcha biste nia da Låp. (Tor, Einfaltspinsel.)
2. Auf dem Grunde des Sees soll ein kostbarer Schatz liegen. Tief drinnen im Gößgraben steht das Gehöft des Gößbauers. Dort sollen vor langer Zeit die Geister der höchsten Berge des Oberlandes in einer Christnacht zusammengekommen sein, um Rat zu halten über die Schätze der Berge. Der Geist des Maltaberges führte bittere Klage über den großen Verlust, den er erlitt, da die Menschen gierig in seinem Berge nach Gold gruben. Dem sollte abgeholfen werden. In den unergründlichen Melniksee, der hoch auf der Alm ruht, bannten sie den Schatz und heute noch gelüstet es den Halter nach dem Golde, das aus der blauen Tiefe blinkt.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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