Der Ochsengeist

In der Gegend von Seeboden trieb sich ein Wesen um, das die Ochsen aus ihrer Ruhe bringen konnte. Für die Menschen war es unsichtbar, aber die Ochsen tobten und fuhren auseinander, sobald der Geist sich nahte. Ein einziges Mal hat ein Mensch den Ochsengeist gesehen, und zwar in Gestalt einer rotscheckigen Kalbin, doch im Augenblicke war er wieder unsichtbar.

So geschah es, daß manches eingejochte Ochsenpaar von ihm befallen ward und in wilder Flucht entrann. Häufig geschah dies nachts, selten bei Tag. Wenn ein Bauer in dunkler Nacht verspätet mit seinem Ochsenpaar die Straße dahinfuhr, mußte er auf der Hut sein und sein „Zeug“ so hergerichtet haben, daß es während der Fahrt keinen „Gratscher“ machte. Alle Teile des Wagens und Geschirrs mußten geschmiert und sauber aneinandergefügt sein, denn das geringste Geräusch genügte, den Ochsengeist anzulocken. Geschah es aber doch, so war das Ochsenpaar verloren, es tollte dahin in rasender Flucht und war nicht mehr einzuholen.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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