Der Schratt

1. Der Schratt ist ein Gespenst, welches sich gern an den Menschen heranmacht, allerlei Schabernack und Unfug treibt. Wenn man ihn „tång’ln“ hört, d. h. wenn der Holzwurm im Stubengebälke bohrt, hat man nicht lange mehr zu leben. Er verursacht Stechen im Halse und verfilzt die Kopfhaare (Schratlzöpfe). Gern hält sich dieses koboldartige Wesen im Hause auf. Man vertreibt ihn, wenn man ihm ein neues Kleid machen läßt und es nachts auf den Tisch legt. Ein Wächter muß in demselben Zimmer ganz gestreckt und auf einem Besen liegen. Der Schratl (Schgratl, Schgratele) kommt dann um Mitternacht; findet er das Kleid gut, so zieht er es an und geht fort. (Mölltal.)

2. In der Nähe vom „Deutschen Peter“ im Neuberg soll der Škratl hausen, wie er bei den Slowenen heißt, ein kleines Männlein mit schöner roter Kappe. Er wurde oft von Hirten gesehen, wie er sich auf den Ästen großer Waldbäume „huitschte“ (wiegte). An Gold und Silber fehlt es ihm nie. Oft versuchten die Hirten ihr Glück mit diesem kleinen Kobold. Im Loibltale wird er mehr als ein harmloser, neckischer Kerl geschildert, der armen Hirten Geld gibt, Knappen ohne jedes Entgelt gute Erzlager zeigt, aber allerdings böse Leute oft übel zurichtet. In der Gegend von Zell ist er der verkörperte „Gottseibeiuns“.

Hirten hatten ihn einmal beschworen, worauf er mit einem Sack Geld angeritten kam. Aber mit dem Rückbeschwören hatte es seine Schwierigkeit. Grinsend setzte sich der Grüne über der Türschwelle auf den Sack und wartete auf seine Opfer. Vorübergehende sahen die verzweifelte Lage der Jungen und riefen den Propst. Dieser sagte zum Škratl: „Soviel mußt du uns wohl sagen, wer dich wegzubringen vermag.“ Der Kobold erwiderte: „Dort oben auf der ,Deutschen Seite’ (in der Gegend von Feldkirchen) lebt so ein junger Lecker, der mich fortbringt." Der junge Kaplan, denn dieser war es, erschien und jagte den Kerl in die Flucht. „Der hat auch einmal einen Besen entlehnt, um seine Stube zu kehren, und hat ihn nicht auf den rechten Platz zurückgestellt“, sprach höhnisch der Škratl. Sonst konnte er dem jungen Gottesmanne nichts vorwerfen.

 

3. Eine Beerensammlerin hatte beim Verkaufe kein Glück gehabt. Auf dem Heimwege wollte sie sich erhängen und flocht in Ermangelung eines Strickes eine Ranke aus Waldreben. Da kam ein winziges Männlein, der Škratl, daher und nickte immerzu: Tu es nur! Als das Weib aber doch anderen Sinnes wurde und die Ranke wegwarf, wuchs der Kleine zum Riesen heran und wollte sie verschlingen. Das Mütterchen bekreuzte sich rasch, worauf er verschwand.

 

4. Beim „Klemen“ in Zell beschwor vor langer Zeit der Bauer im Verein mit seinem Freunde den Škratl, damit er ihnen ein Erzlager zeige. Da sahen die Burschen, welche im nahen Wirtshause beim „Gregitz“ Kegel schoben, einen kleinen, lieblichen Knaben mit kurzer Hose und grünen Strümpfen zum „Klemen“ gehen. Die beiden Beschwörer hielten inne; der eine sagte: „In der Lab'n (Vorhaus, Laube) ist er schon, sag’ noch ein Wort und er ist da!“ Sein Genosse traute sich es nicht und der Škratl mußte unverrichteter Dinge abziehen.

 

5. Der Schafhirte Klemens beim Skutowitz in Zell schlief über dem Stalle. Einmal ließ gegen elf Uhr nachts der Škratl seine Schafe aus, sie wanderten gegen die Setitsche, einen Berg nördlich vom Orte. Der Hirte eilte ihnen nach; als er ihnen nahekam und zu locken begann, folgten die Schafe seinem Rufe nicht. Da wurde er wild und begann zu fluchen. Nun stürmten die Schafe den Berg hinan. Beim Morgengrauen, gegen zwei Uhr früh, kam er oben an. Hier sah er einen schwarzen Kater neben den Tieren einhergehen. Voll Zorn spuckte Klemens aus und rief: „Pfui, geh nach Wreide, wo sie Schweine hüten, und zwirble diesen die Schwänze auf!“ Der Kater gab ein höhnisches Ble - ble zur Antwort und schlich davon, der Hirte aber trieb seine Schafe heim.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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