Die Herren von Silberberg
Nahe der steirischen Grenze liegen in düsterer Umgebung von Fichten- und Lärchenwäldern über dem sumpfigen Hörafelde zur Rechten die Ruinen des Schlosses Silberberg. Unfern davon sprudeln die Wellen des Hörabaches vorüber. Auf der gegenüberliegenden Höhe steht der Turm von Althaus.
Von Geschlecht zu Geschlecht verjüngt sich die Sage von der am nahen Hörafelde versunkenen Stadt Höra und von den verschwundenen Bergschätzen, welche einst die Herren von Silberberg so reich und mächtig machten, daß man sie mit Recht so nannte. Mächtige Ritter und Grafen aus nah und fern warben um ihre Töchter, aber nur dem ward eine von ihnen zuteil, welcher sich entweder an Reichtum oder an Kraft mit den Silberbergern messen konnte.
Der stolzen Burg von Silberberg gegenüber lag die kleine Feste Althaus, das Stammschloß eines tapferen Geschlechtes, das lange schon erloschen ist. Friedrich, der Letzte seines Stammes, warb um Luitwinde von Silberberg, die mit ganzer Seele an ihm hing. Aber der rauhe Vater wies ihn auf immer zurück und bestimmte die Tochter Kaspar von Neudeck, der sich auf seiner Burg in der Einöde durch Raub viele Reichtümer erworben und so nach des Vaters Ansicht der Hand seiner Tochter würdig gemacht hatte. Der Tag der Verlobung war bereits bestimmt, prunkend zogen die geladenen Gäste auf Silberberg ein, von dessen Warten herab Trompetenstöße ertönten und über das Hörafeld hin auf Althaus schmetterten. Nur eine Nacht blieb noch zur Rettung übrig. Die Gäste hatten sich niedergezecht, erloschen waren alle Lichter in den Fenstern der weiten Burg; nur aus Luitwindens einsamer Kammer flimmerte noch der matte Schein ihrer Lampe. Da flog ein Pfeil durch das offene Fenster, der ihr Rettung verhieß und den Ort bestimmte, wo der Geliebte ihrer um Mitternacht harren werde. Glücklich trafen sie sich, und nun ging es rasch auf mutigen Rappen das Hörafeld hinab; doch ehe sie Althaus erreichten, stießen sie auf Kaspar von Neudeck, der mit großem Gefolge daherzog. Friedrich erlag nach tapferer Gegenwehr. In Fesseln wurde er mit Luitwinde nach Silberberg geschleppt. Der noch trunkene Vater sprach über sie das empörende Urteil, daß Luitwinde lebendig eingemauert und Friedrich unter dem Schutte seiner eigenen Feste begraben werde.
Einige erzählen, daß Friedrich von Althaus, dessen Geschlecht unter dem besonderen Schutze des Gnomen vom Hörafelde stand, diesen um Hilfe zur Befreiung Luitwindens angerufen habe. Doch als das Volk des Gnomen zur Verurteilten drang, war sie bereits tot. Schreck und Entsetzen hatten das zarte Leben zerstört. Auch soll Althaus nicht unter den Trümmern seiner zerstörten Feste begraben worden sein, sondern zu Neustadt den rotbekränzten Mantel der Edelmönche genommen haben und in der Schlacht von Mansura an der Seite Roberts von Arlois auf ägyptischer Erde gefallen sein. Mit ihm endete das Geschlecht derer von Althaus.
Mit bedeutungsvoller Miene erzählen die Anwohner von Silberberg, daß ein Herr dieses Schlosses so stark war, daß er einen Mühlstcin vom obersteirischen Markte Mühlen über eine Stunde Weges auf seine Burg trug; daß er einen Riesenhengst bändigte, dessen ungeheure Hufeisen noch jetzt in der St.-Leonhard-Kapelle zu Maria-Waitschach zu sehen sind, und daß dieser nämliche Herr von Silberberg, aus einer Schlacht zurückgekehrt, vor Freuden seinen kleinen Sohn erdrückte, der als Erbe seiner Kraft ihm einen großen Krug voll Wein entgegenbrachte; seinen Freund, mit dem er zerfallen war, von der Feste Silberberg aus mit einem Doppelhaken im Fenster des beinahe eine Viertelstunde entfernten Schlosses Hörbuch im offenen Zweikampfe tötete. Das Salbuch des Dominikanerklosters zu Friesach enthält als Randglosse die Bemerkung: Henricus a Silberberg, fortissimus heros [Heinrich von Silberberg, tapferster Held] .
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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