Die Trut (Trute)

Die Trut ist ein nächtliches Gespenst, das sich schlafenden Leuten auf die Brust setzt, wodurch diese an heftigen Atembeschwerden und Lähmung des Körpers leiden. Wenn dieser Zustand aufhört, komme es ihnen vor, als drücke sie jemand nieder, wälze sich dann als dunkler großer Klumpen von ihrer Brust und rolle zur Tür hinaus. In manchen Gegenden glaubt man sogar, daß plattfüßige Leute sich bei Nacht in „Truden“ verwandeln. Furcht und Grauen vor solchen Personen ist die natürliche Folge. Die Trut erscheint als kleines Faß (Panzile), als zottige Wolldecke (Kotze), in der Gestalt eines Kuhwampens mit dicken, spannenlangen Füßen und Händen oder auch wohl als altes Weib mit zerzaustem Haar, triefenden roten Augen und breiten, platten Füßen. Besprengen mit Weihwasser vor dem Zubettegehen verscheucht sie, ebenso der Trutenfuß an der Tür, auf dem Fußbrette des Bettes und der Wiege. Sie kriecht durch das Schlüsselloch, setzt sich dem im selben Augenblick Erwachenden auf die Brust, drückt ihn und saugt ihm das Blut aus. Das öfters vorkommende Anschwellen der Brustwarzen bei Männern wird der Trut zugeschrieben. Wenn man früh genug wach wird und die Bannformel spricht, muß sie weichen; bei Deutschen und Slowenen heißt sie auch Truta mora. Eine solche Bannformel lautet z. B.:

Truta Mor,
bleib davor,
zöhl die Schind’l auf'n Dåch,
zöhl die Stoanlan in den Båch!
Wånn du dås ålles håst verbråcht,
Dånn kimm her um a guete Nåcht! -

Es lebte einmal ein Schuster, der jede Nacht von der Truda geplagt wurde. Um diesem Übelstande abzuhelfen, suchte er nach allerlei Mitteln. Endlich riet ihm ein Freund folgendes: Er solle am Kopfende des Bettes drei Löcher bohren, in jedes ein Haselnußstäbchen stecken, und wenn ihn die Truda wieder plage, eins nach dem andern herausziehen. Der Schuster befolgte den Rat und siehe! Als er sich abends wieder zu Bett legte, hörte er im Zimmer ein Geräusch. Er zog ein Stäbchen nach dem andern heraus, und wie er das dritte entfernt hatte, sah er zu seinem größten Erstaunen, daß in seinem Bette ein weibliches Wesen lag. Es stellte sich heraus, daß Es im Denken und Sprechen von der Unbeholfenhcit eines kleinen Kindes war.

Sie lebte nun bei ihm, lernte sprechen und nach menschlicher Weise leben. Auch schenkte sie ihm mehrere Kinder. Auf ihre wiederholten Fragen nach ihrer Herkunft gab der Mann immer ausweichende Antworten. Doch eines Tages, als sie die Rede wieder auf diese Frage lenkte, gab er nach und enthüllte ihr das Geheimnis. Seit jenem Tage blieb sie verschollen. (Kanaltal.)

Zu einem Bauernknecht in der Gmünder Gegend kam fast allnächtlich die Trud und drückte ihn dergestalt, daß er ganz von Atem kam. Da riet ihm ein altes Weib, die Hände während des Liegens über der Brust zu falten und zwischen sie ein Messer zu stellen, mit der Spitze nach aufwärts. Als nun die Trud bei Nacht kam und sich wieder auf des Knechtes Brust legen wollte, fiel sie alsbald auf den Boden und wälzte sich in Gestalt eines formlosen Klumpens unter kläglichem Gewimmer zur Türe hinaus. Sie kehrte nimmer wieder.

Im Manharthause zu Qberdrauburg wurde lange Zeit ein Löffel besonders hochgehalten. An diesen knüpfte sich eine alte Sage: Zur Zeit der Franzosenkriege flüchteten mit anderen Leuten drei Schwestern aus Oberdrauburg und verbargen sich in der Nähe des Marktes in einem Felsenloche. Unterhalb von diesem führte die Straße nach Lienz vorüber. Eine von ihnen ging in den Markt und trat bei dem obgenannten Haus als Kuhmagd in Dienst.

Eines Tages fuhr der Bauer nach Lienz, und da hörte er vom Felsen herab eine Stimme, welche rief: „Du, Bauer, såg der Vef’, die Trud is g’storb’n!“ Der Bauer verstand den Sinn der Worte nicht, und als er heimgekehrt war, erzählte er sein Erlebnis am Mittagstische. Da stand die Magd auf und sagte: „Ich muß jetzt fort. Du, Bäuerin, nimm meinen Löffel immer zum Milchabrahmen, und du wirst Segen dabei haben!“ Dann verschwand sie. Der Löffel aber soll wirklich Segen in die Wirtschaft des Bauers gebracht haben.

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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