Der Werkmeister beim Bau von Viktring
Als Viktring erbaut wurde, währte dem Abte die äußere Verputzung, welche die Schönheit der Fassade des Viktringhauses in Klagenfurt hätte erreichen sollen, zu lange und er versprach dem italienischen Maurermeister eine Belohnung von hundert Dukaten, wenn er sie vor Ablauf des Sommers vollende. Wie der Werkmeister dies erreichen wollte, davon erzählt die Sage folgendes:
Unfern dem Baue stand eine Bretterhütte, in welcher die Arbeiter ihre Geräte aufbewahrten und der Werkmeister eine eigene Kammer besaß. Beständig trieb der Meister an und hunderte von Arbeitern standen auf den übereinander gebauten Gerüsten in emsigster Arbeit; aber nur zu oft drohte ein Ungewitter sie zu vertreiben und den noch weichen Anwurf hinwegzuspülen, In solchen gefahrvollen Augenblicken eilte der Werkmeister vom Gerüste herab in die Hütte, verbarg sich in seiner Kammer und jedesmal verschwand, nachdem einige große Tropfen gefallen, die drohende Wetterwolke. So blieb es immer schön, die Bauarbeit ging ungestört fort. Aber der arme Landmann der Umgebung, dem das Gras zu Staub wurde, verzweifelte über die entsetzliche Dürre.
Das stete Verschwinden des Meisters bei einem heranziehenden Gewitter hatte den Verdacht einer Taglöhnerin erregt, die unfern der Bauhütte Mörtel bereitete. Als nun wieder ein Unwetter drohte, verbarg sie sich zunächst in der Kammer des Werkmeisters und entdeckte nun, daß er dort eine breiartige Masse, und zwar stets nach einer Richtung, umrührte. Kaum hatte er sich entfernt und das Unwetter vertrieben, so eilte sie in die Kammer und rührte den Brei, aber in der entgegengesetzten Richtung; das Gewitter kehrte um, entlud sich mit großer Heftigkeit und ein Blitzstrahl warf den Zauberer vom Gerüste in den Abgrund.
Diese Sage erzählt das Landvolk von Viktring bis zum heutigen Tage.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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