Der Waldmann und der Wassermann
Unfern dem Millstättersee lebte ein Holzknecht, der mit dem Wilden Manne innige Freundschaft geschlossen hatte. Diesem pflegte der Wilde Mann als Zeichen seiner Gunst häufig warme Milch zu überbringen mit den Worten: „Freund, ich verlange von dir, daß auch du mir zu gelegener Zeit dich gefällig erweisest.“ Eines Tages kam er nun in aller Eile zum Holzarbeiter und sprach: „Laß alles stehen und geh eilends mit zum See!“ Der Knecht folgte. Als beide zum See kamen, sprach der Wilde Mann zu seinem Begleiter: „Höre! Der Wassermann hat mir mein Weib geraubt und ich hole es jetzt. Merke also: wenn du einen ,Brüller’ in dem See hörst, daran du erkennen sollst, daß es mir im Kampfe mit dem Wassermann übel ergeht, so mache du zwei ,Wispler’, auf daß mir mein Bruder zu Hilfe kommt.“ Bald nach dem Niedertauchen des Wilden Mannes fing das Wasser des Sees furchtbar zu rauschen und zu wogen an, und es währte nicht lange, so vernahm der Knecht aus der Tiefe einen „Brüller“, worauf er zwei „Wispler“ machte. Auf das Zeichen erschien im Nu der zweite Wilde Mann, der noch furchtbarer anzusehen war als sein Bruder. Voll Wut sprang er in den See, wo sich nun ein Kampf entspann, von dessen Hartnäckigkeit das blutrot gefärbte Wasser Zeugnis gab und der damit endete daß die beiden Männer siegesbewußt mit dem geraubten Weibe am Ufer erschienen.
Eine ganz ähnliche Sage knüpft sich an den Klopeinersee bei Eberndorf.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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