Der Wechselbalg

Beim Papst im Noringgraben, der auf der sonnseitigen Lehne eine Keusche besaß, leibte und lebte ein übler Wechselbalg. Da gebrach es den ganzen Tag nicht an Ärger. Ach, welche Plage bereitete er dem ganzen Hause. Hinter dem Kachelofen kauerte er und übersah keine Gelegenheit, wo es galt Unheil zu stiften. Der ewigen Plackerei satt, forschte die Bäuerin nach einem Mittel, den Wechselbalg zu vertreiben. Na riet ihr einmal die Nachbarin: „Nimm soviel Geschirr, Häfen und Schalen, als du finden kannst, und türme sie auf den Herd; in der Mitte mache ein tüchtiges Feuer. Vielleicht hilft’s.“ Die Bäuerin tat so, und wie der Wechselbalg sie draußen wußte, holperte er herab vom Hinterofen und lallte verwundert:

„Jetzt bin i schoan so ålt.
Dåß die Wies’n ober’n Haus schoan is neunmål Wies’n und neunmal Wåld,
Aber so viel Kicherlan und Kachellan hån i noch nia g’seach’n.“

Das sagte er und machte sich davon, auf Nimmerwiedersehen.

Zu St. Martin bei Villach ward einer Bäuerin einmal ihr Kind vertauscht. Sie hatte es bei der Feldarbeit zu Boden gelegt, „wo sich die Mårch'n kreuzen", und es bei der Heimkehr nicht sorgfältig genug betrachtet - in der Jugend sehen sich alle Kinder gleich - trug es nach Hause und zog es auf. Dieser Wechselbalg überlebte viele Besitzer; er fraß viel, war sehr lästig und allen Hausleuten ein Dorn im Auge. Eines Tages kam ein alter Mann daher, diesem klagte der Bauer, was er für einen Helden im Hause habe. Der alte Gast riet nun, etwas zu tun, was dieser „ewige Auszügler“ noch nie gesehen habe, nämlich recht viele Töpfe bei den Nachbarn zu entleihen, dazu das ganze Hausgeschirr sowie Eierschalen im Freien aufzuhäufen und daneben ein Feuer zu entfachen; dann werde der Unhold verschwinden. Der Bauer befolgte diesen Rat. Als nun der Wechselbalg am andern Morgen ins Freie trat, griff er sich vor Staunen an seinen großen Kopf und sprach:

„Bin schon so ålt,
då wår dreimal Wies’n schon und dreimål Wald,
åbar so viel Höflan und Haflan hån i noch nia g’seg’n wia heint.“

Darauf verschwand er und kehrte nicht wieder.

Beim Asam-Bauer in der Zirknitz soll ein Kind gewesen sein, von dem niemand wußte, wie alt es war. Es redete nie einen Laut und ward niemals größer. Da fragte der Bauer einmal den Pfarrer, was er beginnen solle, um zu erfahren, wie alt das Kind sei. Dieser riet ihm, einen Tisch mit Eierschalen, Gläsern und Scherben zu belegen, dann werde der Wechselbalg vielleicht sprechen; und wie sie dies ausführten, öffnete das Kind den Mund:

Neunmal Wies'n und wieder Wåld,
bin neunmål noch so ålt
wie Ranigois und Lani-Wåld,
aber so viel Scherben hån i noch nia g'sech’n.“

Darauf haben sie das Kind genommen und über die hohe Brücke hinabgeworfen.

Auf dem Hattenberg, der Gmünd gegen Süden vorgelagert ist, hauste der „Monge“. Schon jahrelang hatte er Unglück mit seinem Vieh, als eines Tages ein Wechselbalg in Weibsgestalt dahergehumpelt kam. Er trat beim Bauer in Dienst und wartete die Tiere. Während der Bauer bis dahin kein einziges Vieh aufzuziehen imstande war, verstand sich der Wechselbalg vorzüglich aufs „Zügeln“.

Nach vielen Jahren entlief er seinem Dienstgeber, warum, wußte man nicht. Der Bauer, der wohl wußte, daß es da keinen Einhalt gibt, wollte wenigstens erfahren, wie das Vieh zu behandeln sei, und rief dem fliehenden Wechselbalg nach. Dieser entgegnete:

Gebts Såmstågs und Montågs
Mehl und Sålz,
Nåcher wird’ ös fortbringen
Jung's und Ǻlt's.

Das Einhalten dieser Vorschrift brachte wirklich Erfolg. Die entlaufene Kuhmagd, so berichtet die Sage weiter, war aber kein rechter Wechselbalg, sondern ein Kind, das von einem solchen geraubt worden war, und da seine Mutter eben das richtige Mittel traf, zurückgebracht werden mußte. Deshalb war auch ihr „Herg’schau“ (Blick) dem eines Wechselbalges ähnlich.

Einer Bäuerin in Heiligenblut soll ein Wechselbalg ihr Kind aus der Wiege genommen und sein eigenes dafür hineingelegt haben. Da sich die Bäuerin vor Verzweiflung nicht zu helfen wußte, gaben ihr die Nachbarinnen den Rat, das fremde Kind nicht anzurühren und schreien zu lassen, so viel es wolle: vielleicht bringe die Fremde dann das rechte Kind wieder, und richtig! Am dritten Tage erschien sie, nahm das Kind aus der Wiege und legte das der Bäuerin hinein, indem sie vorwurfsvoll sprach: „Ich habe für deines gesorgt, du aber laßt meines schreien!“ Und fort war sie.

Einmal ließ eine Schnitterin, sie konnte nicht anders, ihr Kind am Rande des Getreidefeldes in einem Korbe liegen. Nach einigen Stunden hielt sie Nachschau, aber entsetzlich, wie fremd und läppisch kam es ihr vor! „Das ist nicht mein Kind“, schrie sie den anderen Schnitterinnen zu, „schaut den Trutsch an!“ Dabei hob sie es in die Höhe zur Schau. „Du“, rief eine ergraute Felddirn, „du, laß das Kind nicht saugen, ‚s ist ein Wechselbalg. Such’ eine Rute und ,fick’ (streiche) es neunmal nacheinander!“ So tat die Schnitterin, und siehe, in leiblicher Gestalt erschien jetzt des Wechselbalges Mutter mit dem geraubten Kind und sprach zürnend:

„I hån dein’s kradlt und gebadlt,
Und hån ihm neunmål a Müesle gekocht,
Du åber hast mein’s neunmål g’haut.“

Dann verschwand sie mit dem Wechselbalg.

Der Bauer Posch ritt zu nächtlicher Stunde auf seinem Schimmel nach Hause. Wie er so durchs Dunkel der Nacht jagte, rief es ihm zu:

„Posch,
Mit dein’ weißen Roß,
Såg’ dein’ Wechselbålg:
es is sei Brueder Schedaweng g'storb’n;
Såg, dåß er Kirchen geaht moåg’n!“

Der Bauer ritt heim und erzählte am nächsten Morgen der Tischrunde beim Frühmahl, was er erlebt. Das vernahm auch der Wechselbalg hinterm Ofen, sprang herab und enteilte. (Millstättersee.)

Eines Schusters Weib war „verwunschen“, in gewissen Zeiten als Wechselbalg herumzuwandeln. Eines Tages eröffnete sie dem Manne, daß nun die Zeit herannahe, wo sie wieder als Wechselbalg umgehen müsse, und bat, daß er ihr nichts zuleide tue, falls sie zu ihm komme.

Diesmal war es die Gestalt eines Kuhwampens, in der sie zu wandeln hatte. Alsbald verschwand sie und kollerte, während der Schuster bei seiner Arbeit saß, in dieser Gestalt zur Tür herein und nahm den Weg schnurstracks zu ihm. Der Schuster erschrak über den unförmigen Körper so sehr, daß er sich mit seiner Ahle zur Wehr setzte und der Gestalt einen Stich versetzte, worauf sie unter Wehklagen und Geschrei abfuhr. Er sah sein Weib nimmer, denn diesem hatte er den Stich versetzt, und es war nun verdammt, in der unförmigen Gestalt herumzuwandeln. (Liesertal.)

Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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