Vom Wetterschießen
Vor alter Zeit waren die „Wetter“ in der Niklai viel heftiger als heutzutage, daher besaß jeder Bauer eine Anzahl geweihter Wetterböller im Hause, um sie bei drohendem Gewitter abzufeuern. An einem Lorenzentage, der in der Niklai als Feiertag durch Arbeitsruhe geheiligt ward, befand sich nur die Laggnerbäuerin mit ihrem Sohne in der Stube. Der Bauer kniete draußen auf dem „Eichbüchel“ und betete, das Gesinde war nach Pusarnitz zum Gottesdienst gezogen. Plötzlich bemerkte sie, daß vom Drautal her Wetterwolken zogen und schickte den Jungen zum Bauer, um diesen auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Laggner, der noch auf der Erde kniete, folgte dem Rufe sogleich und holte drei der heiligen Böller, lud sie und schickte sich an sie abzufeuern. Aber schon stieg hinter dem Hause auf dem „Eichhügel“ ein kleiner Nebel auf, den irgend eine Wetterhexe durch Sprüche hervorzauberte. Kaum waren die drei Böller nacheinander abgeschossen, verschwand der Nebel augenblicklich, das Wetter ging vorüber und nur ein schwerer Regen rauschte nieder. Die Saat war gerettet.
Ein andermal ging der alte Laggner, nachdem er eben einige Wetterböller gegen drohende Wolkenmassen abgefeuert hatte, in seine nahegelegene Mühle. Aber plötzlich fand er den Weg versperrt, querüber lag ein altes, unförmiges Weib, nur mit Unterrock und Pfeid bekleidet. Ohne sich darum zu kümmern, wich der Bauer aus und ging seitab vom Wege weiter. Kaum war er einige Schritte gegangen, so kam ihm der Gedanke, daß es eine Wetterhexe sei, und er sah sich um. Und wirklich, die Gestalt war verschwunden. Hätte er sie vorher berührt, so würde sie ihn in tausend Stücke gerissen haben, denn es war eine Wetterhexe, welche durch die geweihten Böller aus den Wolken geschleudert worden war.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten, Graz 1941.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Harald Hartmann, Februar 2006.
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