Die Hollerstaude
Die alte Vital Rosl kann „anheben“, wie die Leute glauben. Sie ist der letzte gerade Nachkomme der Vitale, die im Ort Greifenburg seit langer Reihe von Jahren das Abdeckerhandwerk betrieben. Sie geht trotz ihrer achzig Jahre noch kerzengerade, trägt einen Männerstrohhut mit Hahnenfeder und raucht Pfeife. Weiberarbeit tut sie nicht. Im Sommer geht sie mit den Holzknechten in den Wald „Baumhacken“ oder aufs Feld mähen, im Winter Holz schneiden und Holz hacken. Man sucht mit ihr gut auszukommen, denn sie ist gefürchtet wegen des „Anhebens“. Ein junger Mann, ein Kleinhäusler, verliebte sich in ihre Nichte, ein hübsches Mädchen, und wollte sie heiraten. Seine ganze Verwandtschaft war dagegen, weil sie das Schinderdiandle nicht in ihrer Mitte haben wollten. Er lies sich bereden und heiratete eine andere. Als die Rosl hörte, daß er sich eine andere erkoren, fluchte sie und nahm ihre Hacke. Sie ging in den Garten des jungen Mannes und hieb dreimal mit der Hacke in eine alte Hollerstaude und schrie: „So wahr, als die Hollerstaude nie mehr grünt, so wahr soll er ka gsunde Stund mehr haben!“. Die Hollerstaude war bis ins Mark verletzt und ging ein. Eines Tages wollte der junge Mann das Dach ausbessern, stieg hinauf und fiel herunter. Er erlitt dabei mehrere Verletzungen und siechte übers Jahr dahin. Dann starb er und hinterließ seine Witwe mit einem halbjährigen Kind.
Die Hollerstaude gilt als etwas Heiliges. Man darf sie nicht verletzen und soll wegen der besonderen Kräfte, die sie besitzt, vor ihr den Hut abnehmen.
Quelle: Gemeindechronik Greifenburg; Email-Zusendung von Sepp, 11. Februar 2010.