ENTSTEHUNG DES LAVANTTALES
Zu der Zeit, als das Lavanttal noch ein See war, gab es schon viele Erzgruben in den Ufergegenden, und von da brachten viele Bergleute das Eisen ans Tageslicht.
In der Tiefe hausten aber Gnomen und Bergmännlein, die waren den Erzsuchern feind, und wo sie nur konnten, verwehrten sie ihnen den Eingang.
Einmal arbeiteten mehrere Bergleute in einer Grube, da fielen die Berggeister über sie her, und es entstand ein hitziger Kampf.
Die Gnomen konnten aber von ihren übernatürlichen Kräften Gebrauch machen, und es gelang ihnen, die mutigen Knappen zu vertreiben. Die aber hatten einen Gnomen gefangengenommen und schleppten ihn mit sich.
Er wurde an einen sicheren Ort gebracht, und jetzt hatten die Bergleute lange Jahre vor den Bergmännlein Ruhe. Die hüteten sich wohl, die anderen zu reizen, solange sie einen von ihrer Schar in den Händen hatten.
Der Gefangene sehnte sich aber zurück in seine unterirdische Heimat, in ihre wunderbaren Klüfte und Gänge, wo er mit seinen Brüdern zusammenlebte, und er bat die Bergleute oft, sie möchten ihn freilassen. Er wollte sich gerne loskaufen und versprach, er werde ihnen viel Erz schenken, ja sogar einen Teil seines Reiches werde er ihnen überlassen; denn er sei ein reicher Berggeist, einer von den Fürsten unter den Gnomen.
Aber all sein Bitten war vergebens; er lag dreißig Jahre lang, ja darüber noch, auf der Oberwelt gefangen.
Da kamen nach und nach andere Bergknappen, weil die alten weggestorben waren, und jetzt bat der Gnom aufs neue um seine Freiheit.
Er versprach den Bergleuten ein großes, schönes Stück Land, so groß wie der See, an dem sie wohnten, und schwur ihnen mit einem Eid, daß er sein Wort halten werde. Sie waren damit zufrieden und entließen ihn aus der Gefangenschaft.
Der Gnom hielt Wort. Es dauerte nicht lange, so sahen die Bergleute auf der Wasserfläche kleine Wirbel, wie sie entstehen, wenn unterirdisch das Wasser abfließt. Auch wurde das Wasser von Tag zu Tag weniger, endlich verlief sich der See in die unterirdischen Höhlen, wo ihm die Gnomen einen Ausweg geöffnet hatten.
Als endlich alles Wasser weg war, da war an seiner Stelle ein schönes Tal da, und mittendurch floß ein klares Wasser, das von den Bergen herabkam. Die Knappen nahmen das Tal in Besitz und bebauten es aufs beste, so daß es bald das fruchtbarste im ganzen Lande war.
Später entstanden rings im Umkreise schöne Burgen und Dörfer, und ganz im Süden des Tales, gegen die Drau zu, wurde ein großes Stift gegründet; das wurde St. Paul genannt.
So hat das Lavanttal von einem Geschenk des Gnomenfürsten seinen Ursprung genommen.
Quelle: Götter- und Heldensagen, Genf 1996,
Seite 635