THEOPHRASTUS PARACELSUS

Das war ein großer Doktor und Zauberer, der das Kraut des Lebens besaß, mit welchem er alle Leiden und Krankheiten kurierte. Wen er behandelte, der wurde gesund, an welchem Übel immer er leiden mochte. Deshalb kamen die Leute aus nah und fern herbei, um bei ihm Rat und Hilfe zu suchen. Darüber erwachte der Neid der andern Arzte, daß sie ihm nachstellten und ihn aus dem Wege zu schaffen versuchten. Aber sie konnten ihm nichts anhaben; was sie auch gegen ihn unternahmen, wurde durch die Kunst des Zauberers vereitelt.

Da versuchten sie, ihm mit Gift beizukommen; doch auch dieses wußte er unschädlich zu machen, indem er sich im Zimmer an den Füßen aufhing, daß dasselbe wieder beim Munde herausfloß.

Zuletzt aber war's ihm doch mißlungen. Während er einmal wieder auf diese Weise sich des Giftes entledigen wollte und an den Füßen dahing, kam sein Diener plötzlich in die Stube und hatte, um den Herrn zu befreien, den Strick abgeschnitten. Da war's leider um ihn geschehen. Das Gift konnte nicht mehr herausgebracht werden und tötete ihn.

In seinem letzten Augenblicke übergab er noch dem Diener mehrere Flaschen mit dem Auftrage, dieselben in die Drau zu werfen. Der Diener tats; mit lautem Gebrause schäumten die Wasser des Flußes auf, als sie die Flaschen verschlangen. Der Narr wußte wohl nicht, was er tat! Es war das Kraut des Lebens drinnen und er hätte ein reicher Mann werden können, wenn er nur ein Fläschchen weggeworfen und die übrigen für sich behalten haben würde.


Quelle: Valentin Pogatschnigg, Alte Bekannte. Gestalten aus der Kärntner Sagenwelt, in: Carinthia 1872, Seite 56