"POLTI", DER ZAUBERER

In Niederdörfl im Rosental lebte vor mehreren Jahren ein Mann namens "Polti", der sich mit Teufelszeug und Zauberei befaßte. Er hatte ein kleines Häuschen und bewohnte es zeitlebens allein. Wenn man in seiner Abwesenheit durchs Fenster in seine Wohnung blickte, so sah man regelmäßig auf dem Tische ein großes, dickes Buch liegen. Die Leute behaupteten, daß dies sein "Zauberbuch" war. Und beinahe jeden Abend sahen die Leute einen großen, dunklen Mann um das Haus des Zauberers laufen. Dieser war schwarz wie die Nacht und hatte brennrote Augen und eine lange, feuerspeiende Zunge. Niemand wagte es, in seine Nähe zu gehen.

Einmal ging nun der Zauberer zu seinem Nachbarn und bat ihn, er möge ihm jeden Tag einen Liter Milch verkaufen. Der Bauer hatte Angst vor dem Mann und wollte nichts mit ihm zu tun haben. Er gab zur Antwort: "Ich habe keine Milch übrig!" Darüber war der Bittende wütend und schwor ihm Rache. Dann ging er zu einem andern Bauern mit der gleichen Bitte. Hier aber war gerade die Großmutter zu Hause. Sie hatte große Furcht vor dem Manne und versprach ihm, seine Bitte zu erfüllen. Er holte täglich seine Milch.

Der Bauer aber, der dem Zauberer die Milch abgeschlagen hatte, ging am nächsten Tag mit seiner Frau auf das Feld, um dort zu arbeiten. Als jedoch die Frau früher von der Arbeit heimkehrte, um das Mittagessen zu kochen, hörte sie, als sie die Haustüre aufsperren wollte, nebenan im Stalle ihre Kühe laut und jämmerlich brüllen. Sie ging sofort, um nachzuschauen, warum die Tiere so unruhig seien, fand aber zu ihrer großen Enttäuschung die Kühe nicht im Stall, sondern sonderbarer Weise auf der Tenne vor. Sie war ganz entsetzt, als sie sah, daß alle ihre schönen Kühe mit einem furchtbaren Aussatz behaftet waren. In großer Verzweiflung eilte sie auf das Feld zu ihrem Mann, um ihm davon zu berichten. Beide eilten jetzt in ihrer großen Bestürzung und Aufregung nach Hause. Als sie aber in die Tenne kamen, sahen sie voll Schrecken alle ihre Kühe mit ausgestreckten Beinen tot am Boden liegen.

Die Bauersleute ahnten wohl, wer die Schuld an diesem Unglück trug. Wegen des ekelhaften Ausschlages mußten die Kühe sofort verscharrt werden, selbst die Haut der Tiere konnte nicht verwendet werden. Aber die böse Tat rächte sich von selbst: Als der Zauberer in seinem 63. Lebensjahre stand, befiel ihn eine unheilbare Krankheit. Bei lebendigem Leibe fing er an zu faulen, ekelhafte Würmer bedeckten seinen Körper.

So mußte der Unglückliche, von allen verlassen, einsam und ohne Trost unter den entsetzlichsten Qualen sterben.

Lange Jahre nach seinem Tode noch wollte niemand das Häuschen bewohnen. Immer noch schauderte es den Leuten vor dem Zauberer und seiner Behausung.


Quelle: Anna Zerobin, Sagen und Erzählungen aus dem Rosenthal, in Carinthia I, 145 (1955), Seite 767