DAS ZAUMZEUG DER HEXE
Ein Bauer hatte zwei Knechte, sie schliefen im Stall beisammen. Der eine war mager, der andere wohlbeleibt. Da fragte eines Tages der zweite den Mageren: "Warum bist du so mager?" Wir haben ja das gleiche Essen.« Da erwiderte dieser: "Merke nur gut, was ich dir erzähle. Die Bäurin ist eine Hexe. Jede Nacht, wenn alles schläft, kommt sie zu mir und wirft mir einen Zauberzaum um den Kopf, dann bin ich ein Pferd. So reitet sie mit mir auf die Alm, wo viele Hexen beisammen sind. Dort essen und trinken sie." "Nun gut", sagte der zweite Knecht, "lasse mich einmal an deinem Platz schlafen." Sie tauschten also ihre Plätze. Als es gegen Mitternacht ging, kam die Bäurin und warf dem zweiten Knecht einen Zaum über den Kopf. Alsdann saß die Bäurin auf das Pferd und ritt auf die Alm. Wie sie oben ankam, fragten die bereits versammelten He- xen: "Warum bist du heute so früh da? Sonst warst du immer die letzte." "Ja", sprach sie, "heute habe ich einen starken Gaul." Während alle Hexen nun in den Almhütten verschwanden, fegte das Pferd den Zaum ab und sofort erhielt der Knecht seine mensch- liche Gestalt wieder. Sobald die Hexe in den Stall trat, um den Heimritt anzutreten, warf er ihr den Zaum um den Hals und nun war sie ein Pferd. Der Knecht ritt sogleich heim. Er stellte das Pferd in den Stall und trug dem Bauer an, ihm das Pferd abzukaufen. Nur den Zaum wolle er selbst behalten, der Bauer könne das Pferd ja an der Mähne festhalten. Er streifte dem Pferd den Zaum ab und im selben Augenblick hielt der Bauer sein eigen Weib bei den Haaren.
Quelle: Georg Graber, Sagen aus Kärnten,
Leipzig 1914, Seite 70