DER SCHÖNOFEN

Auf der Strasserhalt am Gösel in den Lavanttaler Bergen erhebt sich der "Schönofen". Dort waren einst zur Sommerszeit Knechte und Dirnen mit der Mahd beschäftigt. Während der Mittagszeit stieg eine junge Dirne zum Schönofen hinauf, von dem man eine herrliche Aussicht ins untere Lavanttal hat.

Wie sie hinaufkam, gewahrte sie an der Felswand eine kleine, offene Tür. Sie trat durch sie in einen kellerartigen Raum, in dem am Futtertrog zwei schöne Rappen standen und sich am prächtigsten Hafer gütlich taten. Verwundert, wie die Tiere hiehergekommen, nahm sie einige Hände voll Hafer aus der Krippe, steckte ihn in den Sack und ging weiter. Sie kam in ein zweites Gemach, in dem stand eine Truhe, auf der ein schwarzer Hund lag. Daneben lag ein Laib Brot, in dem ein Messer stak. Da erinnerte sich das Mädchen der Sagen von behüteten Schätzen, sowie daran, daß man dem Hunde ein Stück von dem Brote reichen müsse, damit er die Truhe verlasse. Sie schnitt ein tüchtiges Brotstück ab, reichte es dem Hunde und füllte, indes er fraß, aus dem Inhalt der Truhe ihre Schürze. Jetzt wollte das Mädchen den unheimlichen Ort verlassen - aber die Tür war verschlossen. Sie legte sich ins Heu und verfiel in kurzen Schlummer. Als sie erwachte, stand die Tür weit offen, und sie trat ins Freie und wanderte heimwärts.

Doch wie erstaunte sie, als sie zum Bauer in die Stube trat und von ihm erfuhr, daß sie gerade vor einem Jahre spurlos verschwunden sei.

Sie hatte ein Jahr im Schönofen geschlafen.

Franz Pehr, Kärntner Sagen. Klagenfurt 1913, 5. Auflage, Klagenfurt 1960, Nr. 34, S. 71