DIE FREIMANNSGRUBE
Am Abhang der Stangalpe liegt die Freimannsgrube; sie ist berühmt wegen der Schätze, die in ihr verborgen sein sollen.
In dieser Höhle bewacht ein Mann von grimmigem Aussehen, mit dem roten Mantel des Scharfrichters angetan, einen ungeheuren Schatz; dem Kühnen, der zu ihm zu dringen wagt, droht er mit dem gezückten Schwerte; aber nur jenen tötet er, der ihm bereits nahe gekommen ist und dann feige umzukehren versucht. Denjenigen, der herzhaft vorüberschreitet, läßt er vom Schatze nehmen und ungestört forttragen. Nur von zwei mutigen Männern erzählt die Überlieferung, welche in die Freimannsgrube drangen und sich dort Schätze holten.
Der eine war ein Klosterknecht von Ossiach, der mit seinem goldgefüllten Käppchen die Grube verließ. Welche Abenteuer er bestanden, erzählte er keinem. Nach ihm versuchte mancher sein Glück, doch keiner kehrte wieder.
Viele, viele Jahre nach jenem Klosterknecht betrat ein Bergknappe die Freimannshöhle, dem die Not den Mut der Verzweiflung gegeben hatte. Unerschrocken stand er vor dem Berggeist, erzählte ihm von seinem Elend, der Not der Seinen und bat ihn, ihm entweder zu helfen oder ihn zu töten. Freundlich gestattete ihm der Alte zu nehmen, wieviel er wolle. Der Knappe aber wies bescheiden die Güte des Berggeistes zurück und bat, ihm nur so viel zu geben, daß der Not des Augenblicks gesteuert sei, das übrige wolle er schon selbst verdienen. Dafür segnete der Mann die Felder und das Vieh des armen Knappen so reichlich, daß dieser bald zu den Wohlhabendsten der Umgebung zählte.
Franz Pehr, Kärntner Sagen. Klagenfurt 1913, 5. Auflage, Klagenfurt 1960, Nr. 52, S. 111