HEXEN- UND GESPENSTERFURCHT IN KIRCHSCHLAG

An Hexen und deren immer nur verderbliches Wirken wird allgemein geglaubt. Es sind stets alte, ledige oder verwitwete, auch anständig verheiratete Frauen, gerichtlich unbeanstandet, die meist selbst nicht viel von dieser Meinung wissen, da jung und alt sich aus Furcht hütet, sie dies wissen zu lassen. Die Hexe kann den menschlichen und tierischen Bewohnern verschiedene Unannehmlichkeiten „antun", ihnen Krankheiten verursachen, überhaupt Unglück in das Haus bringen, gegen welches sie zürnt. Etwas Gutes kann man von einer Hexe hinterrücks nie erwarten, niemand wird sie auch darum angehen. Man sieht darauf, den Besuch der Hexe im Hause möglichst hintanzuhalten; wenn er aber geschehen ist, muß man die bösen Folgen zu unterdrücken suchen. Dies geschieht durch Räucherung in den bedrohten Räumen mit Palmkätzchen, geweihten Thujenzweigchen, Weihrauch, Besprengen mit Weihwasser, Verschluckenlassen von Palmkätzchen, Bezeichnung der Türen mit Kreuzen, das Einstecken einer aufrechten Mistgabel oder das Querlegen eines Besens, beides unter der Dachtraufe. Ein anderes Mittel ist, sich von der Hexe etwas auszuleihen, sehr gerne Salz, und zu Hause zu verbrauchen. Selbstredend kümmern sidi die Gerichte um die Volksansicht nicht und jeder, der eine Frau im Zorn unbedachtsam Hexe schilt, (mit Überlegung geschieht es kaum), wird ohne zugelassenen Wahrheitsbeweis verurteilt. Übrigens geht sie wie jede andere in die Kirche und genießt deren Zeremonien, unter der Teilnahme der Bewohner.

Merkwürdig ist ferner der allgemeine Glaube an gespenstische Begegnungen, welche um Mitternacht allein durch den Wald gehenden Personen, nicht etwa Betrunkenen, welche dem vielleicht weniger unterliegen, als vielmehr vollkommen zurechnungsfähigen Menschen zustoßen. Eine nach bäuerlicher Art gekleidete menschliche Gestalt, Mann oder Weib, oft ein bekannter oder verwandter Verstorbener, tritt dem Wandelnden in den Weg, zwingt ihn stehen zu bleiben und verlangt von ihm irgendeine fromme Leistung zu eigenem Nutzen, das .Verrichten von Gebeten, Lesen von Messen, Errichtung von Wegkreuzen oder Kapellen und dergleichen. Dem Angesprochenen wird strenge verboten, unter eigener Gefahr darüber mehr als das Nötigste an andere zu verraten. Dann verschwindet die Gestalt spurlos. Die Leute werden von einer solchen Begegnung nicht selten krank und kommen meist dem Verlangen nach. So ist eine Kapelle auf dem Wege von Landsee in Ungarn nach Schwarzenberg in Österreich in dieser Weise zustande gekommen. Nachdem die Leute sich in solchen Angelegenheiten sehr zurückhaltend benehmen, ist nicht viel bekannt. Doch wird jeder daran Zweifelnde gescholten. Man sagt, es wären besonders angelegte Leute, welche derlei Begegnungen haben können, besonders Sonntagskinder. Es ist zu beachten, daß Gespenstergeschichten im häuslichen Kreise sehr häufig erzählt werden. Auch fehlt es selbstredend nicht an den auf dem Lande so häufigen Erziehungsmitteln, welche Furcht im Kinde zu erwecken geeignet sind. Darin mögen Gründe für die Erregungszustände gesucht werden.

Die zugrunde liegenden Mitteilungen erhielt ich von der in Kogel gebornen, später auch in Stang ansässigen, nun in Wien verheirateten Frau Marie Heinrich, welche in beiden Orten ihre Kinder- und Mädchenjahre mitten im bäuerlichen Leben zubrachte.


Quelle: Hexen- u. Gespensterfurcht in Kirchschlag. Anton Dachler, Wien: Zeitschrift für österreichische Volkskunde 15, 1909, 147 f.
Aus: Will-Erich Peuckert, Ostalpensagen, Berlin 1963, Nr. 32, Seite 24