DIE HIMMELSSTUFE
In Ebenthal, wo heute ein Schloß und eine recht hübsche Kirche stehen, gab es um die Wende des 16. Jahrhunderts sonst nichts als ein paar schlichte Winzerhütten, die in einem dichten Wald eingeschlossen waren. Nun wollten aber die biederen Leute, daß auch der Herrgott oder sonst ein Heiliger unter ihnen wohne. Woher sollten sie aber die erforderlichen Arbeitskräfte und gar erst die Menge Unkosten bestreiten, um ihrem Dorfpatron ein würdiges Heim zu bauen? Allein ein sonderbarer Vorfall soll den Ebenthalern aus der Not geholfen haben.
Schloss Ebenthal, Niederösterreich
© Andrea
Böhm
In einer hellen Julinacht, als im Dorf bereits alles im besten Schlafe
lag, kamen fremde Arbeiter. Sie brachten behauene Quadersteine und Flußsand
mit sich und errichteten damit über Nacht ein geräumiges Gotteshaus.
Am nächsten Morgen standen die Einwohner von Ebenthal staunend vor
dem Gebäude. Als der Dorfoberste die Fremden für ihre Arbeit
bezahlen wollte, waren diese auf einmal spurlos verschwunden.
Nun stand das Kirchlein mitten drinnen im grünen Wald fertig da und niemand wußte, welchem Heiligen man es weihen sollte. Aber siehe da! An einem schönen Sonntagmorgen zog eine rosarote Wolke daher, die einen wunderbaren Glanz ausstrahlte. Über dem Waldkirchlein blieb sie plötzlich stehen, öffnete sich in der Mitte und ließ eine goldenen Himmelsstiege herunter. Auf dieser schwebten nun liebliche Engel hernieder, die ein herrliches Marienbild zwischen sich trugen. Behutsam ließen sie es in das Kirchlein hinab, dessen Ziegeldach sich gespalten hatte. Und heute thront es noch auf dem Hochaltare als eine immerwährende Erinnerung an jene Begebenheit.
Quelle: Andrea
Böhm: Ebenthal. Heimatchronik von den Anfängen des Ortes
bis heute. Ebenthal, 1999.
(Ursprungstext von Hans Hörler und Heinrich Bolek)
Von der Autorin freundlicherweise für SAGEN.at zur Verfügung
gestellt.