Der Aschbacher Marktrichter und der Teufel
Wenn man die Aschbacher Kirche durch die Sakristei betritt, erblickt man, an der Wand zwischen Tür und Marienaltar eingemauert, eine Grabtafel aus weißem Marmor mit einer Umrahmung aus rotem Stein, derzufolge der 81jährige Stefan Gererstorffer hier begraben wurde, der von 1687 bis 1692 und von 1699 bis 1729 Marktrichter in Aschbach gewesen war.
Auf der weißen Tafel ist fein säuberlich ein Bild herausgemeißelt, das Anlaß zu der noch heute in aller Mund lebenden Sage wurde. Auf einem von stürmischen Wogen umbrandeten Felsen ist da ein Kruzifix aufgerichtet, an das sich ein von drei schlimmen Gestalten gehetzter Mann anklammert. Links von ihm ist die Welt als schöne Frau mit der Weltkugel auf dem Haupte dargestellt, rechts eine gar liebliche Venus und dicht daneben die schreckliche Erscheinung des an seinen gewaltigen Hörnern leicht erkennbaren Leibhaftigen.
Ein vornehmer Herr war der Marktrichter gewesen, energisch, etwas von oben herab und in jungen Jahren wohl auch recht rücksichtslos gegen andere, die er als arme Schlucker verabscheute. Gererstorffers Hauptlaster jedoch waren der 'Spielteufel und das Fluchen. Hatte er einem Spielpartner die Taschen gründlich geleert, so konnte er sich darüber tagelang freuen. Strich dagegen der andere einmal ein paar Pfennige ein, dann konnte er so greulich fluchen, daß sich gar mancher heimlich bekreuzte und scheu zur Tür hinausdrückte.
Wie konnte es nun geschehen, daß Stefan Gererstorffer nicht nur 35 Jahre lang das angesehene Amt des Marktrichters bekleidete, sondern daß er sich auch sonst gründlich wandelte, viel Gutes tat und noch in seinem Testament eint bis auf unsere Tage hereinreichende Stiftung für die Schulkinder und für die Spitalsarmen errichtete?
Das kam so: Gererstorffer saß einst mit zwei Nachbarn dem Bierbrauer Jakob Pirchinger und dem Lebzelter Matthias Samuel, bis in die späte Nacht beim Kartenspiel beisammen und hatte ausnahmsweise einmal Pech, ausgesprochenes Pech. Auf jedes verlorene Spiel aber folgte ein Hagel gotteslästerlicher Flüche mit dem Kehrreim: "Der Teufel soll mich holen!" Eben hatte er die Karten wieder mit diesem wüsten Fluch auf den Tisch geschleudert. Da - ein greller Blitz, ein krachender Donnerschlag und eine noch nie gehörte Stimme kreischt: "Der Rotjankerlete gehört mir!" - das schöne rote Wams mit den silbenen Knöpfen aber hatte Gererstorffer am Leibe.
Entsetzt springen die drei Männer auf, der Lebzelter reißt ein Paket geweihter Kerzen an sich, der Bierbrauer hebt der kleinen Weihwasserkessel von der Wand und Gererstorffer stürzt vor dem im Zimmer hängenden großen Kruzifix nieder und umklammert, Gebete und Gelübde lallend, die Füße des Gekreuzigten. Während der Brauer das geweihte Wasser nach allen Seiten sprengte und der Lebzelter seinem wie leblos da liegenden Nachbarn das Gesicht abwusch, verzog sich der graue, nach Schwefel stinkende Rauch, der den Raum erfüllt hatte, und die drei Spieler dankten vor dem Kruzifix auf den Knien für ihre glückliche Rettung.
Nie wieder in seinem langen Leben hat Stefan Gererstorffe eine Spielkarte
in die Hand genommen, nie wieder kam ein Fluch über seine Lippen,
als Wohltäter seiner Mitmenschen und frommer Mann ist er gestorben.
Das große hölzerne Kruzifix hängt heute noch im Flur des
stattlichen Bäckerhauses am oberen Marktplatz, das einst Gererstorffer
gehörte (Dr. Theuerkauf, übermittelt durch S. Anselma.)
Hinweis: das Bäckerhaus am oberen Marktplatz wurde im Jahr 2021 abgerissen, das
Kreuz ist seither im Pfarrhof Aschbach zu besichtigen.
Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten. Amstetten 1951. S. 45 - 47.