Der böse Knecht
Vor vielen Jahren fuhr ein schwerbeladener Wagen auf der Reichsstraße von Amstetten nach Dingfurt. Auf einmal blieben die Pferde keuchend stehen und konnten mit der Fuhre nicht mehr weiter. Der erfahrene Kutscher überprüfte alles an seinem Wagen und merkte alsbald, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugehe. Neben der Straße dehnte sich ein großes Getreidefeld aus, auf dem mehrere Schnitter fleißig arbeiteten. Zu diesen ging der Fuhrmann und bedeutete mit erregter Stimme: "Unter euch ist einer, der mich nicht weiterfahren läßt!" Aber kein Laut regte sich im Schnitterkreise. Das brachte den heimtrachtenden Kutscher in Harnisch. Er schrie dem unbekannten Missetäter drohend zu: "Laß mich fahren, oder es geschieht ein Unglück!" Wieder dieselbe Stille. Jetzt eilte der Fuhrmann zu seinem Wagen und trieb die Pferde neuerdings zur Weiterfahrt an. Die Rösser sprangen und bäumten sich auf, doch der Wagen kam nicht vom Fleck. Da riß dem Kutscher die Geduld. Er zog sein Messer aus der Tasche und stieß es mit aller Wucht in die erste Radspeiche, die der Wagner in üblicher Weise mit einem Kreuzlein vermerkt hatte. Im selben Augenblick fiel ein Knecht auf jenem Felde tot zu Boden, er war es, der den Wagen verhext hatte. Nun konnte der Fuhrmann unbehelligt weiterfahren. (Werner.)
Quelle: Sagen aus
dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes
Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 17
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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