Der gefoppte Brückenteufel
Vor hundert Jahren gab es in der Haslau noch keine Brücke über
die Ybbs. Damals mußte der Wanderer durch das Wasser waten, was
bei hohem Wasserstande das Leben kosten konnte. Noch heute erinnert ein
Marterl vor der Brücke daran, daß anno 1847 der Franz Müller
mit Roß und Wagen an dieser Stelle bei der Durchfahrt in den Wellen
verschwunden ist. Als daher die erste Holzbrücke hier errichtet wurde,
war dies für die ganze Gegend beiderseits der Ybbs ein freudiges
Ereignis. Im Beisein einer riesigen Menschenmenge sollte die Brücke
feierlich eröffnet werden. Als aber das Band zerschnitten war und
das erste festlich geschmückte Fuhrwerk darüberfahren wollte,
da erschien plötzlich inmitten der Brücke der Teufel und brüllte:
"Der erste, der über die Brücke kommt, gehört mir!"
Da schnaubten die Pferde zurück und die Menschen packte das kalte
Entsetzen. Keiner getraute sich auch nur einen Fuß auf die Brücke
zu setzen! Und der Teufel rieb sich den Bauch und lachte höhnisch
und schadenfroh. Da ging ein Spaßvogel aus Matzendorf heim und kam
nach kurzer Zeit mit einem alten Geißbock daher! Er führte
den stinkenden Bock bis zur Brücke, gab ihm einen Schlag und jagte
ihn dem verdutzten Teufel entgegen, indem er ihm zurief: "Dös
is da erschte auf der Brück, den kannst dir ghalten!" Der geprellte
Teufel stieß einen gotteslästerlichen Fluch aus und verschwand
mitsamt dem Geißbock in einer übelriechenden Wolke. Das Volk
aber jubelte und lachte und trug den pfiffigen Retter auf den Schultern
über die Brücke. (Hoffer.)
Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten. Amstetten 1951. S. 17 - 19.