Die Donaunixe vom Hößgang
Der Hößgang ist bekanntlich der Donauarm zwischen der Insel
Wörth und dem Neustadtler Steilufer. Hier befindet sich auch die
kleine, zu Neustadtl gehörige Rotte Hößgang. Im Jahre
1529, als vor den Toren Wiens der Türke lag, wohnte m Hößgang
ein armer Überführer, auch Ferge geheißen, namens Kilian.
Kilian verdiente für sich und seine kranke Mutter den kargen Lebensunterhalt,
indem er die Fahrgäste von Neustadtl und Kollmitzberg über den
gefährlichen Strudel mit seinem kleinen Boot an das gegenüberliegende
Ufer brachte. Es war in einer stürmischen und stockdunklen Nacht,
als an das Schifferhäuschen heftig gepocht wurde. Kilian sah hinaus
und sah eine Frau mit drei Kindern stehen, die ihn inständigst bat,
er möge sie sofort überführen, da sie von einem Türkenschwarm
verfolgt werde. Jetzt zögerte Kilian, ob er nicht zuerst seine kranke
Mutter retten sollte. Aber das Zureden der Mutter sowie das Flehen der
Kinder bewog ihn, zuerst die Fremden überzuführen. In der Mitte
des Stromes angelangt, löschte der Orkan die Laterne und warf das
Boot wie eine Nußschale hin und her. Der Ruderer verlor in der fürchterlichen
Finsternis die Orientierung und war bereits in höchster Gefahr, als
er am drüberen Ufer eine Stimme hörte, die seinen Namen rief.
Kilian fuhr in die Richtung der Stimme und landete seine Schützlinge
wohlbehalten am rettenden Ufer. Die Frau gab sich als Gräfin zu erkennen
und versprach Kilian eine hohe Belohnung, sobald sie in friedlichen Zeiten
wieder auf ihr Schloß zurückkehren könne. Trotz des immer
heftiger werdenden Sturmes ruderte Kilian zurück, denn er wollte
seine Mutter nicht allein lassen. Wieder befand er sich im hohen Wellengang
des Strudels in höchster Lebensgefahr, als plötzlich mitten
im Boot im strahlenden Glänze die Donaunixe stand, dem bereits erschöpften
Kilian das Ruder aus der Hand nahm und mit sicheren Schlägen das
Boot bis zum Höß-ganger Ufer ruderte. Bevor noch Kilian der
Donaunixe danken konnte, war diese in den Wellen verschwunden. Die Gräfin
hielt ihr Versprechen. Nach der Vertreibung der Türken kehrte sie
auf ihr Schloß zurück und belohnte Kilian derart reichlich,
daß die Not aus dem kleinen Schifferhäuschen in Hößgang
entwich. (Nach Ortmayr, Weißenhofer.)
Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten. Amstetten 1951. S. 33 - 34.