DIE DRUD UND DER SCHWARZE STIER
Ein Viehhändler aus der Hainfeldergegend erzählte vor vielen Jahren in Sattelbach folgende "wahre" Begebenheit:
Ein Bauer hatte eine sehr brave und fleißige Magd. Nur mit einem war er nicht zufrieden. Von neun Uhr abends bis Mitternacht weinte, schrie und jammerte sie alle Tage oder lief aus dem Hause und kehrte um 12 Uhr wieder heim. Da sie ihm leid tat und er die Ursache dieses sonderbaren Gehabens wissen wollte, stellte er sie eines Tages zur Rede. Sie aber erklärte ihm weinend, sie müsse so tun und könne nicht anders und wisse ihm es nicht zu erklären, aber er könnte ihr helfen, wenn er nur wolle, nur getraue sie sich ihn nicht darum zu bitten. Denn sie müßte seinen schwarzen Stier verlangen und das sei das schönste Stück im ganzen Stalle. Der Bauer wollte nun doch die Sache, vor der ihm zu grauen begann und von der schon die Leute redeten, aus der Welt schaffen und, da er auch die fleißige Magd nicht fortlassen wollte, entschloß er sich, seinen schwarzen Stier zu opfern. Nach der Angabe der Magd wurde nun dieser am Abend im Obstgarten am "Gehege" (Grenze gegen die Felder) angebunden und alle gingen ins Haus. Die Magd hatte nun an diesem Abend Ruhe und war auch in aller Zukunft von dem bösen Alp erlöst. Am Morgen aber, als man um den Stier im Garten Nachschau hielt, fand man nichts mehr von ihm als seinen Schwanz, denn "die Drud hatte ihn in der Nacht mit ihren großen Plattfüßen ganz in die Erde eingetreten, so daß nur mehr der Schwanz herausstand".
Die Magd lebt heute noch als alte Frau in Hainfeld und wer will, kann sie um diese Geschichte fragen.
Kommentar: (Dr. W. Hermann.)
Quelle: Carl Calliano, Niederösterreichischer Sagenschatz, Wien 1924,
Band II, S. 68