Einer, der das Läuten nicht hören konnte

Zur Zeit der Franzosenkriege kamen drei französische Fräulein in die Gegend von Blindenmarkt, um Schmuck und wertvolle Geräte von ihren Verlobten abzuholen, die diese im Mostviertel geplündert hatten. Sie nahmen bei Neumarkt ein Fuhrwerk auf das sie mit ihrer Beute ein gutes Stück westwärts gegen Frankreich bringen sollte. Der Fuhrmann aber und seine zwei Helfershelfer fuhren hinter Höbartendorf (so hieß bis zum Jahre 1902 das heutige Hubertendorf) in die Ybbs-Auen und warfen die drei Fräulein geknebelt und gefesselt in die "Schwarze Labn", ein tiefes Wasser. Den Schmuck und das andere Plündergut teilten die drei Mordgesellen unter sich auf.

Auf dem geraubten Schatze aber ruhte ein Fluch. Die drei Mörder konnten keine Ruhe mehr finden. Einer erhängte sich. Der zweite mußte stets aus der Kirche laufen, wenn der Pfarrer predigte, denn auch im kältesten Winter rann ihm ununterbrochen der Angstschweiß in Strömen von der Stirne. Der dritte Mörder sagte vor dem Sterben zu seiner Frau, man möge ihn nicht in einem Friedhof begraben, dort könne er keine Ruhe finden. Man solle ihn dort der Erde übergeben, wo er das Läuten der Kirchenglocken nicht hören könne. Aber seine Frau gewährte ihm diese letzte Bitte nicht. Er wurde im Friedhofe bestattet. Doch schon in der ersten Nacht nach dem Begräbnis begann es um Mitternacht auf dem Dachboden zu poltern und zu lärmen. Die Frau hörte Schritte, die vom Boden über die Stiege herunterzukommen schienen. So ging es viele Nächte zu. Endlich wurde der Tote wieder ausgegraben und in einem versteckten Graben in ungeweihter Erde bestattet. Dorthin drang kein Geläute der geweihten Glocken. Seitdem gab er Ruhe im Grabe, der Mörder, der das Läuten nicht hören konnte. (Nach Prof. Klement.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 52
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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