Türkennot in Euratsfeld

Die zweite Belagerung Wiens im Jahre 1683 brachte den Türken trotz aller Anstrengungen und Greueltaten nicht den ersehnten Erfolg. Um nun das Volk im Lande mürbe zu machen, zogen türkische Horden raubend und sengend im Mostviertel umher, überall Angst und Schrecken verbreitend. Alles fürchtete sich vor ihrem grausamen Tun. Viele suchten ihr Heil in der Flucht in die Berge.

Der 18. Juli 1683 war für Euratsfeld der größte Schreckenstag. Mit einer unbeschreiblichen Zerstörungswut und Mordlust fielen die Türken über den Ort und seine wehrlosen Menschen her. Plündernd und vernichtend zogen sie von Haus zu Haus. Lichterloh sank gar mancher Bauernhof in Asche, so auch der Braunshof. Aus allen Rotten der Gemeinde zerrten die Türken Männer und Frauen ins Freie und machten sie, 43 an der Zahl, grausam nieder. Bei diesem furchtbaren Wüten flüchtete der damalige Seelsorger von Euratsfeld, Pfarrer Joachim Hübner, mit seinem Hund auf den dem Pfarrhofe gegenüberliegenden Hügel von Braunshof. Im dortigen Dickicht des ausgedehnten Buschwerkes versteckte er sich, das Ende der Schreckenstage abwartend. Suchende Türkenrudel durchstreiften das ganze Gebiet und kamen schließlich auch nach Braunshof. Der wachsame Hund hörte die spähenden Ankömmlinge und verbellte sie. So wurde die schützende Treue des Hundes zum Verhängnis für seinen Herrn. Die Türken nahmen den abgehärmten Priester gefangen und verschleppten ihn nach Ungarn. Auf dem Rückwege aus der Verbannung in die verwüstete Heimat wurde er abermals von abziehenden Horden überfallen und schließlich ermordet. In Braunshof, dem Orte der Gefangennahme, wurde später zur Erinnerung an jene Schreckenstat eine Kapelle errichtet, die heute noch steht. (Werner.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 9
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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