Das graue Weiblein im Öder Galgenholz
Im Galgenholz, einem Wäldchen knapp westlich von Öd an der heutigen Bundesstraße gelegen. hauchte zur Zeit der Marktrichter so manch armer Sünder seine Seele aus. Kein Wunder, dass es auch heute noch hie und da in diesem dichten Waldbestand nicht recht geheuer ist, besonders wenn die Geister des bekannt guten öder Mostes über das Galgenholz leise, leise streichen! Wenn man also an nebeligen Herbstabenden durch das Galgenholz wandert, kann es sein, dass man plötzlich in den Wipfeln ein unheimliches Rauschen hört, dass die Fichten vom Sturm geschüttelt werden und wunderbarerweise Äpfel und Birnen über den verzagten Wanderer herabprasseln. Wenn man nun schleunigst diesen Ort verlassen will, hört man knapp hinter den Fersen ein Schlürfen, Klappern und Schreiten, im Geraschel des Laubes doppelt schrecklich zu vernehmen! Blickt man rückwärts, um das Geräusch zu ergründen, dann sieht man ein uraltes eisgraues Weiblein, das blitzschnell hinter den Baumstämmen verschwindet! Aber noch nie hat das graue Weiblein vom Öder Galgenholz einem Wanderer etwas Böses angetan, und seitdem die Benzinwagen das Galgenholz durchrasen, durchlärmen und durchstinken, ist es auch dem grauen Weiblein zu dumm geworden, und es lässt sich nicht mehr erblicken. (Adl.)
Quelle: Sagen aus
dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes
Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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