Schloß Goldegg Vers. I
Wandern wir am Schloße
Goldegg vorüber, hineine in den Dunkelsteinerwald, so gelangen wir
zu einer netten Waldkapelle. Es ist dies die Wallfahrtskapelle zur Bildbuche
mit dem Gnadenbild der Mater Dolorosa.
Wenige Schritte von der Kapelle entfernt, bemerkt man am Straßenrand
eine sumpfige Wiese, die schwarze Lacke nennt sie das Volk. Ein hohes
Schloss stand dort. Einst kam der Tag des Unheils: Das Schloss versank
mit Mann und Maus. Weshalb ? Die Sage berichtet es nicht, aber manch altes
Mütterlein erinnert sich noch daran, in der Jugend ein Stück
des Turmes, das noch herausragte, gesehen zu haben.
Als aber diese Burg noch stand, da traf es sich einst, dass der Graf mit
seinem Gefolge auf die Jagd ritt. Ein Mägdlein war allein zurückgeblieben.
Diese Gelegenheit benutzte eine wilde Räuberschar, die in der Gegend
ihr Unwesen trieb. Die rohen Gesellen fielen über das Schloss her,
erbrachen die Türen zu den Sälen und plünderten alles von
oben bis unten. Das Mädchen befand sich in großer Angst. Wehe
ihm, falls man es erblickte! Was nun beginnen?
Damals stand vor dem Schloße eine alte Buche mit einem geschnitzten
Marienbilde. Bei dieser flehte das Mädchen recht inniglich um Hilfe.
Es bat so herzlich, als ob es erhört werden müsste. Und Maria
erbarmte sich ihres Kindes. Eben erschallen in der Ferne Jagdfanfaren,
die die Rückkehr der Herrschaft anmelden. Die Räuber fliehen,
werden aber eingeholt und der Strafe übergeben. Das Mädchen
ist gerettet, das Schloss vor Unheil bewahrt. Zum Dank für die wunderbare
Rettung des Schlosses und der Maid errichtete man an der besagten Buche
eine Kapelle, daher der Name Bildbuche.
Gar bald wurde die Kapelle der Bildbuche bekannt und erfreute sich stets
eines zahlreichen Besuches aus nah und fern. Sie war ursprünglich
aus Holz gebaut. Als sie aber vor Jahren abbrannte, wurde sie 1893 aus
freiwilligen Spenden neu aus Stein aufgebaut.
***
Anmerkung:
Das Gehen zu Maria - Bildbuchen im Dunkelsteinerwald ist eine historisch
gewachsene und lebendige Wallfahrt. War es früher das bischöfliche
Consistorium das anno 1860 den Pfarrer von Neidling ausdrücklich
verbot, "sich zu hüten, diesen sogenannten Wallfahrten in irgendeiner
Weise Vorschub zu leisten", so waren es entgegengesetzt nach dem
Brand 1892 die vielen Wohltäter aus der Umgebung, federführend
die St. Pöltener Bürgerschaft, die den Aufbau der Kapelle in
der heutigen Form ermöglichten. Als das Gnadenbild, Schmerzensmutter
mit dem toten Sohn auf dem Schoß (Pieta), im Jahre 1970 gestohlen
wurde, war es Pfarrer Walter Eder, der eine Kopie spendete.
Man sieht, Maria als Fürsprecherin, hat bei der Bildbuchenkapelle
viele "Fürsprecher".
Die Entstehung der Bildbuche wird uns als Sage in unterschiedlichen Variationen
überliefert. Auffallend ist, dass mit dem "Mysterium Bildbuche"
auch das Sumpfgebiet bei der Bildbuche, einfach "schwarze Lacke"
genannt, in der Erzählung eingebunden ist und den Volksglauben beflügelt.
Die "schwarze Lacke" befindet sich rechts neben der Fahrstraße
von Enikelberg unmittelbar vor der Bildbuche. Noch in den 60er Jahren
des vorigen Jahrhunderts war dieses Moor gegenwärtig - heute nur
nach starken Regenfällen als solches zu erkennen.
Quelle: Lehrersammlung Neidling, um 1930, Emailzusendung von August Pachschwöll vom 31. August 2005