Das Goldloch auf dem Plattenberg bei Kürnberg
Dort, wo sich heute der Steinbruch des Bauern Reingruber auf dem Plattenberg bei Kürnberg befindet, war einst ein Loch von grausiger Tiefe, das nach oben trichterförmig mündete. ließ man in dieses Loch einen Stein hinabkollern, dann dauerte es einige Vaterunser lang, bis er unten nach schrecklichem Gepolter und Gerassel ankam. Man sah nichts und wusste auch nicht, was da unten sein könne, aber man dachte, dass es unbedingt Gold sein müsse, das freilich mit Kröten- und Schlangengezücht zugedeckt sei. Um diesen Goldschatz zu heben, musste man an einem Palmsonntag mit Beginn der Passion schnell in das Goldloch steigen, eiligst den Schatz sammeln und mit der kostbaren Last noch vor Schluss der Passion wieder aus dem Loch heraus sein, wollte man es nicht aufs Spiel setzen, den Schatz wieder zu verlieren und für immer in der grausigen Tiefe bleiben zu müssen.
Ein Kürnberger Schuster hat es eines Tages gewagt. Er kam gut hinab, rechtzeitig wieder herauf und baute mit dem gehobenen Golde das jetzige Obermeierhäusl, früher Schusterhäusl genannt. Dies sprach sich in der ganzen Gegend herum.
Kurze Zeit später kamen drei Männer aus Steyr auf den Plattenberg und sahen sich das geheimnisvolle Loch recht genau an. Dann steckte jeder einen Brocken Erde, einen Stein und ein Stückchen Holz zu sich ein, und sie verschwanden wieder, wie sie gekommen waren. Es währte aber nicht lange, vielleicht einige Wochen, da rumpelte ein übermäßig schwer beladener Frachtwagen, mit vielen Tüchern verdeckt, über die Kürnberger Straße, vertiefte überall die Furchen, fuhr über die Michaelerbrücke zu Steyr und verschwand sodann hinter mächtigen Torflügeln in einem großen Hause jenseits der Brücke. Weg war der Schatz! (Tscholl.)
Drei andere Männer zwängten sich später einmal durch einen Felsspalt in der Nähe des Goldloches in einen unterirdischen Gang. Darin kamen sie ziemlich weit vorwärts. Der Gang erweiterte sich zu einem riesigen Felsdom, dessen Boden ein tiefschwarzer See bedeckte. Mit ihren "Funzerln" sahen die drei Höhlenforscher nur einige Klafter weit, dann herrschte undurchdringliche Finsternis. Auf einmal erhob sich ein fürchterlicher Sturm, der unterirdische See wirbelte haushohe Wellen gegen den Standort der drei, dumpfer Donner grollte, fahlgelbe Blitze zuckten und beleuchteten auf Sekundenteile ein schwarzes Gespensterschiff, das mit vollen Segeln auf unsere drei Männlein zuschoss. Denen fielen die Herzen in die Hosen und so schnell sie konnten, nahmen sie Reißaus und trachteten, wieder ins Freie zu kommen, was ihnen auch gelang. Seit diesem Erlebnis wurde das Goldloch gemieden, und mit der Zeit brachen alle Zugänge ein. Daher ist es heute keinem Kürnberger mehr möglich, nachzusehen, ob vielleicht doch die Steyrer etwas übriggelassen hätten! (Nach Tscholl.)
Quelle: Sagen aus
dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes
Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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