Das versunkene Grabnerschlößl
Dort, wo der Dorferweg über die RudoIfsbahn führt, steigt beim Grabner in Haidershofen ein rechteckiger Hügel aus dem Gelände, das auf der Ennsseite senkrecht in einer großen Schlierwand abfällt. Auf diesem Hügel, der früher flußwärts weit ausgedehnter gewesen sein soll, stand einst, so wird erzählt, ein kleines Schloß. Der letzte Schloßherr, ein Graf, war ein hintergründiger, grausamer Mann. Nicht nur, daß er seine Untergebenen roh behandelte, trieb er es ähnlich auch mit dem lieben Vieh. Manches Mal vergnügte er sich damit, daß er seine Hunde der Reihe nach durch ein kleines Pförtchen über die senkrecht zur Enns abfallende Wand ins Wasser werfen ließ. Schauerlich hallte dann das Geheul und Gejaul der angsterfüllten Tiere durch das Mühltal. Darüber konnte der sonst so schweigsame Wüterich aber derart lachen, daß es nur so schallte. Flußabwärts mußten die Knechte des Grafen mit Booten jene Hunde, die heil wieder aus der Enns emportauchten, einholen.
Da geschah es, daß sich der Rohling einmal solcherart auch während eines Hochwassers vergnügen wollte. Hoch gingen die schlammigen Wellen der pfeilschnell dahinschießenden Wassermassen, in unheimlichen Wirbeln und Strudeln rauschte die Enns. Da fürchteten sich die Knechte hinauszufahren, und sie widersetzten sich dem Befehl des Grafen, der darob in fürchterliche Wut geriet. Er schwor, die unbotmäßigen Knechte wie die Hunde, aber gebunden und gefesselt, in die Enns werfen zu lassen und machte sich in seiner grimmigen Wut selbst daran, seine Hunde ins Wasser zu werfen. Als er jedoch einen riesigen Spürhund durchs Pförtchen zerren wollte, sprang ihn dieser an und riß ihn mit sich in die Tiefe. Im gleichen Augenblick aber löste sich unter Donnergetöse die Wand und versank mit dem Schlosse in den wilden Fluten der Enns. Der Spürhund aber soll der Leibhaftige gewesen sein, der mit dem Grafen zur Hölle fuhr. Die Knechte warfen dann noch die letzten Mauerreste in den Fluß, damit nichts mehr an den grausamen Peiniger erinnere.
Bei Hochwasser soll man früher im Mühltal immer um Mitternacht ein unheimliches Heulen gehört haben. Jetzt breitet der Stausee seine stillen Wasser über diese Stelle. (Walter.)
Quelle: Sagen aus
dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes
Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 113
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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