Der Haunoldschimmel

In der Sindelburger Pfarre fließt durch den Haunold ein kleiner Bach. Wenn man spät abends heimkehrt, kann man den Haunoldschimmel hören, wie er zwischen der Hofinger- und Tanzbergerbrücke im Bachbett herumtümmelt. Man vernimmt ein schreckliches Schnauben, ein Stampfen und Wiehern, daß es einem die Gänsehaut aufzieht und man schleunigst das Weite sucht. Um Mitternacht über die Hofingerbrücke zu gehen, ist nicht geheuer. Da drunten spukt es, und um diese Zeit getraut sich nicht so leicht jemand in die verrufene Gegend. Einst waren drei bärenstarke Bauernburschen, von denen einer wettete, er getraue sich in den Bach zu steigen und nachzusehen, was es da unten gäbe. In der nächsten Neumondnacht tat er so. Seine Kameraden warteten in der Nähe. Als sich aber nach geraumer Zeit nichts rührte, riefen sie. Wieder hörte man nichts. Da riefen sie lauter, und endlich hörten sie, wie sich der Vorwitzige mühsam und ächzend aus dem Bache herausarbeitete. Als sie ihn anleuchteten, war er kreidebleich. Auf keine ihrer Fragen gab er Antwort, und nie erfuhr es jemand, was er dort unten erlebt hatte. (Mayr, Ornazeder.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 66
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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