Das Heiland-Kreuzstöckel in Aschbach
In Aschbach steht an der nach Oed führenden Straße, gerade 400 Schritte von den letzten Häusern des Marktes entfernt, ein alter Bildstock. Wenn der Leichenwagen auf dieser Straße einen Toten hereinbringt, halten die Ministrantenbuben auf dem Kirchturm Ausguck und beginnen, sobald der Leichenzug bei diesem Bildstock anlangt, die Glocken zu läuten. An der Stelle aber, wo dieses Wahrzeichen steht, hat sich vor mehr als 400 Jahren eine grauenhafte Bluttat ereignet.
Am oberen Marktplatze lebte damals ein angesehener Fleischermeister namens Tobias Heiland. Das war nicht etwa ein Spottname, sondern der Mann, dessen Nachkommen die älteren Bewohner des Marktes noch recht gut gekannt haben, hieß wirklich so und trug diesen schönen Namen auch mit Recht, denn er war ein gottesfürchtiger, rechtschaffener Mensch, der den Bauern für ihr Vieh zahlte, was recht war, für die Aschbacher nur bestes Fleisch aushackte und am Montag nach dem Lätare-Sonntag, da die Aschbacher Fleischhauer-Innung ihren Jahrestag feierte, als deren Zöchmeister beim feierlichen Hochamt in der Kirche ganz vorne im Ratsherrnstuhl saß.
Nun begab es sich, dass Tobias Heiland einst dem Simon Holmer, der im Kletzenboden draußen ein größeres Bauernhaus besaß, für ein Paar Ochsen ein schönes Stück Geld auszahlte. Es war ein sengend heißer Samstag-Nachmittag im August und der Bauer, der überhaupt den Wein viel lieber trank als den Most und für sein wüstes Saufen, Spielen und Fluchen weit bekannt war, saß noch in später Nacht mit dem Schmied und dem Schuster nächst dem Markt im Brauhauskeller beim Spiel beisammen, und als ein um Mitternacht aufziehendes schwarzes Gewitter den schwer bezechten Bauer zum Heimgehen trieb, war so ziemlich der letzte Heller des Ochsengeldes in den prallen Geldbeutel seines Spielpartners gewandert, von dem die Sage ging, er verstünde sich besser aufs Falschspielen als auf die ehrlich-schwere Arbeit am Amboss. Der Schmied begleitete noch den schauerlich fluchenden Holmer durch die Rathausgasse bis zur Oederstraße herab, um ihn mit scheinheiligen Reden über sein Spielerpech zu beruhigen. Kaum aber hatte er sich verabschiedet, so setzte auch schon ein prasselnder Gewitterregen ein, der Holmers Zorn nur noch vergrößerte.
An der Stelle, wo heute der gemauerte Bildstock steht, befand sich damals ein schlichtes Holzkreuz, an dem, mehr gut gemeint als künstlerisch gemalt, ein aus vielen Wunden blutender, blecherner Christus hing. Der herabströmende Regen erweckte beim Aufleuchten der Blitze den Anschein, als ob das Blut des Gekreuzigten herabriesle. Dieser rührende Anblick vermochte jedoch den Rasenden keineswegs zu besänftigen, der im Gegenteil in sinnloser Wut schrecklich lästernd, so lange gegen das Kreuzesholz anrannte, bis es krachend niederbrach.
Meister Heiland lag mittlerweile friedlich schlummernd neben der kräftig schnarchenden Meisterin zu Bett und hörte nichts vom Rollen des Donners und vom Rauschen des Regens, als ihm plötzlich eine deutlich vernehmbare Stimme dreimal hintereinander, von Anruf zu Anruf lauter werdend, zurief:
"Nimm dein Schlachtmesser, geh auf die Oederstraße und stich den Gotteslästerer nieder!"
Als Tobias Heiland am Sonntagmorgen erwachte, glaubte er, einen unheimlichen Traum gehabt zu haben, den er auch seiner Frau erzählte. Als jedoch der Meier von Bogenhof mit seiner Bäuerin zur Frühmesse gehn wollte, fanden sie zu ihrem Schrecken das umgestürzte Kreuz und davor lag mit verzerrten Zügen, die Augen weit aufgerissen, der unglückliche Holmer. Der Geifer der Wut stand dem Toten noch auf den Lippen, in seinem Herzen aber stak - ein langes Schlächtermesser!
Noch war dieser Schreckenssonntag nicht zur Neige gegangen, als der nach Steyr eingelieferte Heiland dem dortigen Burggrafen Freiherrn von Rogendorf in Ketten vorgeführt wurde. Unter Tränen beteuerte Heiland seine Unschuld, er wisse nur, dass er im Traume jene Stimme hörte, sonst nichts, gar nichts. Als man ihm das blutige Schlächtermesser zeigte, anerkannte er es ohne Zögern als sein Eigentum, wo aber das dem Hohner ausgezahlte Ochsengeld hingekommen sei, erklärte er abermals nicht zu wissen, und so blieb dem Burggrafen nichts anderes übrig, als gegen den des Raubmordes so dringend Verdächtigten für den nächsten Morgen die "peinliche Befragung", d. h. die Folter, anzuordnen.
Dazu aber ist es nun gottlob nicht gekommen. In der folgenden Nacht hörten nämlich auch der Burggraf und die beiden Folterknechte, die für das grausame Geschäft des nächsten Morgens ausersehen waren, jene wunderbare Stimme, die ihnen laut zurief: "Krümmt dem Tobias Heiland kein Haar, er ist unschuldig und hat nur über höheren Befehl gehandelt!"
Und so kam es nun, dass Tobias Heiland schon am Nachmittag dieses Montages wieder als freier Mann nach Aschbach heimkehrte, zur unbeschreiblichen Freude seiner Familie und seiner Mitbürger, unter denen sich die Kunde vom geschehenen offenbaren Wunder wie ein Lauffeuer verbreitet hatte.
Zum Dank und zum Gedächtnis seiner wunderbaren Rettung ließ Tobias Heiland dort, wo vorher das hölzerne Kreuz gestanden war, den Bildstock aufmauern, der noch heute das "Heiland-Kreuzstöckel" heißt. (Dr. Theuerkauf.)
Quelle: Sagen aus
dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes
Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952. Band 2.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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