Der Katzengraben bei Haidershofen

In der Mosing bei Haidershofen befindet sich neben saftigen Wiesen ein ungefähr 15 m langer und 8 m tiefer Graben. Er wird Katzengraben genannt. Darinnen wuchern Brennesseln, Disteln und dichtes Gestrüpp, so daß man kaum durchzukommen vermag.

Früher hörte mancher, der nachts beim Katzengraben vorbeigehn mußte, ein abscheuliches Katzengeschrei. Auch wenn durch die hintere Mosing ein Trauerzug mit einem Verstorbenen aus Tröstelberg oder Vestental vorbeikam, hörte man aus dem Katzengraben jedesmal ein gar jämmerliches Katzengeschrei, das erst aufhörte, wenn der Leichenzug vorüber war.

Einmal wankte ein Bauer um Mitternacht aus dem Wirtshause heimzu. Beim Katzengraben lief ihm plötzlich eine schwarze Katze nach, die fortwährend miaute. Das Tier wurde immer größer und größer, und schließlich stand der Leibhaftige vor dem entsetzten Bauern. Wenn dieser sich in seiner Angst nicht schnell bekreuzigt hätte, wäre es um ihn geschehen gewesen. Der Bauer gelobte, nie mehr über das Maß zu trinken, und ließ an der Stelle, wo ihm die schwarze Katze begegnet war, ein Bildstöckl errichten. Was war das aber? Jeden Morgen fand man das Bildstöckl um einige Meter vom Katzengraben weggerückt. Erst als es eingeweiht worden war, ließ es der Höllische in Ruhe.

Heute noch sieht man das Bildstöckl in einiger Entfernung unterhalb des Katzengrabens auf einer Wiese stehn, und nur ein schmales Wegerl führt vorbei. (Kindslehner, Walter.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 111
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
© digitale Version: www.SAGEN.at .