Die hinterlistige Körblerin
Der gute, alte Körbler-Lipp aus Euratsfeld war ob seiner Kunst und Fertigkeit als Korbflechter einst ein sehr begehrter Mann. Seinen Verdienst gab er in fürsorglicher Weise seiner viel jüngeren Frau. Der alternde Lipp, der hin und wieder bei seiner Arbeit ein wenig einschlief, indem er sein graues Haupt auf beide Fäuste und diese auf den hakenförmigen Kopf der "Hoanzlbank" stützte, war seiner sprühenden Ehegattin viel zu ruhig. Ihre Unzufriedenheit steigerte sich immer mehr und mehr so daß die Körblerin ihres Mannes überdrüssig wurde.
Sie strebte nach einem jüngeren und lebenslustigeren Gatten. Aber wie soll denn dies geschehen? Da kam ihr ein gar böser Gedanke. Sie wollte ihren Gemahl erhängen! Das schreckliche Vorhaben machte sie erfinderisch. Rasch entschlossen, begab sie sich auf den Dachboden des ebenerdigen Hauses und bohrte durch die hölzerne Stubendecke ein Loch. Durch diese Öffnung, die genau über dem Arbeitsplatz ihres Mannes angebracht und kaum sichtbar war, ließ sie einen Strick mit einer Schlinge heruntergleiten. Langsam und ruckweise näherte sich die Schlinge dem wieder einmal auf seiner Hoanzlbank schlummernden Lipp. Nach einiger Zeit spürte dieser, daß ihn etwas auf dem Kopfe kitzelt. Er wird munter und sieht die auf- und niedergehende Schlinge mit dem Seil. Nun dachte der pfiffige Mann, man müsse jetzt abwarten, was das zu bedeuten habe. Aber er kam bald darauf und legte die Schlinge vorsichtig um den Kopf der Hoanzlbank. Nachdem dies geschehen war, setzte er sich in aller Ruhe in die Ofenecke, das merkwürdige Schauspiel betrachtend. Als die verborgene Gattin am Strick einen gewichtigen Zug merkte, glaubte sie, ihren Mann in der Schlinge zu haben und begann hurtig mit dem Aufziehen des Seiles! Aber es hing nicht der Vermeintliche, sondern die Hoanzlbank daran! An der Decke fand die Höhenfahrt ein Ende. Da vernahm der still sitzende Körbler, wie seine Gattin von der Stiege herab zur Haustüre hinauseilte und mit scheinheiliger Gebärde zum Nachbarhaus rief: "Um Gotteswillen, Nachbar, helft, helft, mein Mann hat sich erhängt! Ich bitt euch, kommt und schneidet ihn ab, ich kann das nicht, helft, helft!" Ganz entsetzt eilten die Nachbarsleute mit gezücktem Messer in die Stube des Körblers, der aber ganz ruhig in der Ofenecke saß und zuschaute. Ein Blick nach der Stubendecke zeigte aber den Nachbam das wahre Vorhaben der hinterlistigen Körblerin, die sich nun kniefällig die Verzeihung ihres Mannes holen mußte. (Werner.) Quelle: Sagen aus
dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes
Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 14
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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