Die verwunschene Kollmitzbergerin
Vor vielen Jahren besuchte ein fremdes, sehr schönes Mädchen
eine Tanzunterhaltung beim Kollmitzberger Kirchenwirt. Das Mädchen
machte einen schwermütigen Eindruck, dennoch tanzte ein Bursch mit
ihm. Da bat das unbekannte Mädchen den Burschen, er möge es
ein Stück begleiten. Dabei erzählte es ihm, daß es eine
verwunschene Kollmitzberger Seele sei. Er könne sie erlösen,
wenn er um Mitternacht ins Gschnadholz käme. Dort werde sie unter
einem Baum sitzen und spinnen. Neben ihr werde eine Truhe stehen und darauf
ein großer, schwarzer Hund liegen. Den solle der Bursch verjagen,
dann gehöre der Schatz in der Truhe ihm. Wenn er sie nicht erlöse,
dann müßte sie lange, lange wieder auf die Erlösung warten,
denn dann müßte erst auf der Stelle ein Baum wachsen, daraus
müßte eine Wiege gemacht werden, und ein Kind, das aus dieser
Wiege zum Jüngling herangewachsen sei, könne erst wieder das
Mädchen erlösen. Der Bursche versprach zu kommen. Da er sich
fürchtete, nahm er einige Kameraden mit. Vor Mitternacht gingen sie
in das Gschnadholz und sahen auch von weitem das Mädchen unter einem
Baum sitzen und beim Schein einer Kerze spinnen. Neben ihm stand die große
Truhe und darauf saß mit gesträubtem Fell und wild rollenden
Augen ein fürchterlicher Riesenhund. Die Burschen verloren jetzt
den Mut und rannten davon. Auf dem ganzen Heimweg verfolgte sie das verzweifelte
Weinen und Schluchzen des Mädchens, dessen Hoffnung auf endliche
Erlösung getäuscht worden war. (Hoffer.)
Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten. Amstetten 1951. S. 20.