Das Pestkreuz von Gunersdorf

Im Jahre 1679 zog der Schwarze Tod durch das Land und brachte auch über Aschbach viel Jammer und Unglück. Fast zu viel wurden der Pestleichen für den damals kleineren Friedhof, und da derselbe rund um die Kirche, also mitten im Orte, lag, vergrößerte sich auch die Ansteckungsgefahr immer mehr. Pfarrer Durnegger erkannte dies auch ganz richtig und weigerte sich schließlich sogar, ferner einen an der Pest Verstorbenen im Ortsfriedhof zu begraben. Damit aber kam er in einen argen Zwist mit seinen Pfarrkindern; denn diese sahen in solch einer schrecklich entstellten, schwarzbeuligen Leiche ja doch noch immer ihr frommes, blondes Gretelein oder ihren liebsten Buben Hans, den sie um alles in der Welt willen zu Hause in geweihter Erde begraben wissen wollten. Es kam also zur Klage gegen den Pfarrer. Allein die Behörde war einsichtsvoll genug, demselben rechtzugeben, und so rumpelte denn jetzt jede Woche ein paarmal bei Einbruch der Dunkelheit ein Fuhrwerk über die Urlbrücke hinaus, dessen schaurige Last aus Pestleichen bestand, welche jenseits von Gunersdorf in der damals noch viel größeren und unwegsameren Forstheide verscharrt wurden.

Beim Ortseingang von Gunersdorf steht heute noch ein schlichtes Holzkreuz mit der Inschrift "Andenken an die Pest". An einem Samstag des Jahres 1679, während eben die Klänge der Abendglocken von Aschbach herüberschallten, scheuten an dieser Stelle plötzlich die Pferde des gerade vorüberfahrenden Pestfuhrwerkes. Der Kutscher, welcher alle Mühe hatte, die Tiere wieder in seine Gewalt zu bringen, merkte nicht, dass schon beim ersten Ruck ein Leichnam vom Wagen geglitten war. Erst als er, im Walde angelangt, die Toten einen nach dem andern in die Grube stieß, dünkte es ihm fast, es sei einer zu wenig gewesen. Indes, man konnte sich ja verzählt haben, und hier im Dickicht war es schon zu dunkel geworden, als dass man da noch einmal nachschauen hätte können. Gruselig war es am Ende auch ein wenig in dieser Einöde, und wenn der Nachtwind durch die Nadeln der Föhren strich, klang es jedes Mal, als hätte noch einer geseufzt in der schaurigen Grube da drunten. Der Fuhrmann hieb also in die Pferde und fuhr durch Gunersdorf zurück. Allein, als er an jener Stelle vor dem Dorfe anlangte, da bäumten sich abermals die Pferde. Hart am Wegrande saß der totgeglaubte Pestkranke, der während des Gebetläutens vom Wagen gefallen war. Durch die Erschütterung dieses Falles hatte er wieder die Besinnung erlangt und bat nun gar kläglich, wieder nach Aschbach mitfahren zu dürfen. Das schlug ihm der Kutscher, nachdem er sich von seinem ersten Entsetzen erholt hatte, natürlich nicht ab und brachte den Mann zu seiner vor Freude ganz fassungslosen Familie zurück, in deren liebevoller Pflege er bald völlig genas. Weil aber der erste Ton, der bei seiner Rückkehr zum Leben an sein Ohr drang, der Glockenklang von Aschbach gewesen war, so machte der so seltsam Gerettete eine fromme Stiftung: An jedem Samstagabend sollte fürderhin das letzte Gesätzlein des Gebetläutens an der Kirche von Aschbach nicht - wie bisher - mit einer Glocke, sondern mit allen Glocken geläutet werden. Eine Einführung, die heute noch in Übung ist. Mit der Pest wurde es damals bald besser, denn im Jahre 1679 brachte schon der Monat November eine schneidende Kälte, die der Weiterverbreitung der schrecklichen Krankheit bald ein Ziel setzte. (Dr. Theuerkauf, übermittelt durch S. Anselma.)

Bemerkung des Herausgebers: Den geretteten Pestkranken dieser schönen Sage kann man wohl den "Lieben Augustin des Mostviertels" nennen! Es gibt natürlich auch in vielen anderen Orten des Bezirkes Erinnerungen an die verschiedenen Pestzeiten. Für das Mostviertel gelten die Jahre 1425, 1570, 1644, 1679, 1683 und 16M als besonders böse Pestjahre. 1679 soll ein Amstettner Krämer die Pest aus Wien in die Amstettner Gegend eingeschleppt haben. Nach dem Volksmunde soll die berühmte "Ardagger Messe", die jährlich bis zu zwei Monaten eine große Einnahmsquelle für das Stift Ardagger darstellte, im 17. Jahrhundert von Ardagger auf den wegen seiner gesunden Luft bekannten Kollmitzberg verlegt worden und so der Grund für den heute noch bestehenden Kollmitzberger Schusterkirtag geschaffen worden sein. Obwohl z. B. auch das hochgelegene Neustadtl durch die Pest schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, erzählt der Volksmund, dass Viehdorf bei Amstetten gänzlich verschont blieb. Aus Dankbarkeit wird daher noch heute in Viehdorf während der Fastenzeit jeden Abend der Rosenkranz gebetet. (F. A.)

Quelle: Sagen aus dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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