Die Sage von der Traunleiten

Zwischen Mamau und Karlstetten macht der Fladnitzbach eine Krümmung und umfließt einen bewaldeten Ausläufer des Wachtberges: die Traunleiten. In der Mitte des Gehölzes sieht man die Überreste einer Burg. Man erkennt noch die Gräben, welche die Burg umgaben, die Mauern eines schon mit Bäumen überwachsenen Turmes und andere Mauertrümmer. Diese Ruine wird von den Leuten der Umgebung das "öde Gschlössel" oder das "alte Schloß in der Traunleiten" genannt. Die Geschichtsbücher wissen nichts Bestimmtes über dies Schloß zu erzählen, die Sage jedoch berichtet: Hier stand einst eine große Römerstadt, die bis Karlstetten reichte und zu der dieses Schloß gehörte. Es war aber von schlimmen, gottlosen Menschen bewohnt. Während einmal in der ganzen Gegend große Hungersnot herrschte, nahm die übermütige Schloßfrau zum Reinigen ihres Kindes weißes Brot. Da brach ein fürchterliches Unwetter los: Blitze zuckten und die Erde bebte. Das Schloß versank in die Erde, und nur geringe Mauerreste blieben sichtbar. Von der Römerstadt ist gar keine Spur mehr vorhanden. Viele Jahre waren seitdem vergangen, aber die Leute sprachen noch immer mit Schaudern von dem verschwundenen Schloß und von den reichen Schätzen, die dort begraben lägen.

Damals wurde noch auf dem Wachtberg und auf den Schloß Goldegg sich hinziehenden sonnigen Höhen Wein gebaut, der den Leuten in den Kopf stieg und da manches Unheil erregte. Einmal verabredeten sich viele Leute aus den Dörfern Mamau, Wernersdorf, Pullersdorf, Neidling und Hausenbach, an einem bestimmten Tage gemeinsam nach den verborgenen Reichtümern zu graben. Als sie am frühen Morgen des betreffenden Tages wohlgemut und ausgerüstet mit Krampen, Schaufeln und Brecheisen bei dem "öden Gschlössel" angekommen waren, vermochten sie leider nicht einig zu werden über die Stelle, wo man anfangen sollte. Die Hausenbacher meinten, man sollte oben beginnen, die Mamauer hielten es für besser, von der Seite des Hügels auf das versunkene Schloß hineinzuarbeiten, die Neidlinger wollten am Fuße des Hügels anfangen. Sie stritten so lange herum, bis es 11 Uhr wurde, die Mittagszeit auf dem Lande. Die Weiber, Mütter, Töchter und Schwestern der angehenden Schatzgräber langten aus den Dörfern mit dem Mittagessen an. Auch der Wein war nicht vergessen worden. Das Mittagsmahl dauerte sehr lange. Es war zur Sommerszeit, man wollte in der ärgsten Hitze auf nicht gleich zur Arbeit greifen, und sprach dafür dem vorhandenen Weine fleißig zu. So neigte sich die Sonne und da man eigentlich noch immer nicht wußte, wo man mit dem Nachgraben beginnen sollte, so ließ man es heute ganz stehen und ging dafür nach Karlstetten in ein Wirtshaus, um den "Wachtberger" zu kosten. Dort waren schon andere Gäste aus dem Orte anwesend. Es fielen allerlei Scherz- und Stichelreden, die endlich in Verlachung, Hohn und Spott gegen die armen Schatzgräber ausarteten. Darüber entstanden Streit und Rauferei. Die Schatzgräber griffen nach ihren mitgebrachten Werkzeugen, und der Lärm zog auch viele Leute aus dem Dorfe herbei. Es wurden mehrere schwer und viele leicht verwundet und lange noch saßen die tatkräftigen Teilnehmer in Untersuchungshaft auf den Schlössern ihrer Herrschaft in Karlstetten und Goldegg.

Seit jener Zeit ist die Traunleiten bei den Bewohnern der Umgebung noch mehr in Verruf gekommen, so daß jetzt noch vielen Leuten dieser Wald etwas Unheimliches hat, obwohl später an einer anderen Stelle im Walde eine kleine Kapelle erbaut worden ist.

Quelle: Volkssage nach Lehrer Pamberger um 1950 gesammelt, Email-Zusendung