Von Wendern, Hexern und Teufelsbeschwörern
In der Gegend von St. Leonhard am Walde hält man noch heute viel auf das "Wenden". Hat ein Tier im Stalle Warzen, krumme Beine, eiternde Augen oder sonst noch eine Mißbildung, so sind nach Ansicht der Bauern die Tierärzte machtlos und es wird wie zur Urgroßväterzeit "gewendet". Viele alte Leute kennen heute noch geheimnisvolle Gebete und „Sympathiemittel" die solche Schäden zum Guten wenden. Solche Mißbildungen sollen sodann binnen kürzester Zeit, ja sogar innerhalb einiger Stunden verschwinden. Ich habe öfters mit solchen Menschen gesprochen, die behaupten, wenden zu können. Sie sagen, daß sie die Gebete nicht verraten könnten, da sonst ihre Wendekraft an den jüngeren Mitwisser verlorenginge! Fest steht nur, daß bei diesen Handlungen der abnehmende Mond eine große Rolle spielt. Warzen z. B. werden unter seltsam gemurmelten Wendersprüchen mit Strohhalmen berührt. Das Stroh wird anschließend unter der Dachtraufe vergraben. Wenn dabei nichts gesprochen wird und sich niemand umsieht, fallen die Warzen ab, wenn das Stroh verfault ist. Wer es nicht glaubt, der möge dieses Schönheitsmittel ausprobieren!
Gar viel erzählt man sich von Hexern, die aus Schürzenbändern jede gewünschte Milchmenge herausmelken konnten. Dafür gaben die Kühe eines Nachbarn keine Milch. Konnte aber der Nachbar eine Person auftreiben, die das entsprechende Gegenmittel kannte, so wurde der Hexer durch eine Gesichtsverletzung entstellt und mußte unbedingt abbitten kommen! Folgendes Gegenmittel soll einmal in einem Hause angewendet worden sein: Ein paar Tropfen Milch, die die verhexten Kühe doch noch gaben, wurden in ein Loch unter die Dachtraufe gegossen und sodann stieß der Bauer mit einer glühenden Eisenstange in das Loch. Sofort stieg eine Feuerflamme aus diesem Loche. Bald darauf kam auch schon der Hexer mit schrecklich verbranntem Gesicht und leistete dem Bauern flehentlich Abbitte.
Viel wird auch noch von Beschwörungsbüchern erzählt. Wenn man darinnen las, konnte man sich den Teufel untertänig machen. Wollte man aber die unheimliche Geschichte wieder rückgängig machen, so mußte man alles bisher im Beschwörungsbuch Gelesene von hinten nach vorne lesen. Gelang das nicht, so war man dem "Hörndlbauernpoldl" rettungslos verschrieben. So soll in einem Hause auf der Ybbsitzer Seite ein Bursche im Geisterbüchl gelesen und somit den Teufel herbeigeholt haben. Plötzlich saß der Höllische auf einem Geldsack mitten in der Stube und wollte auch dem herbeigeholten Pfarrer von Ybbsitz nicht weichen. Der Teufel soll dem Priester vorgeworfen haben, er hätte als Bub seiner Mutter eine Kerze gestohlen und daher keine Macht über ihn. Da der Geistliche diese Kerze seinerzeit aber für einen guten Zweck verwendet hatte, konnte er den zottigen Kerl dennoch vertreiben. Im Fußboden dieses Hauses sah man noch lange Zeit die eingebrannten teuflischen Hufspuren. (Berger.)
Quelle: Sagen aus
dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes
Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 42
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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