Die Wundergasse im Hametholz
Als der Hametwald, der sich südlich von Euratsfeld ausdehnt, einstens auf die letzten Häuser des Ortes noch seinen Schatten warf, führte der alte Fahrweg nach Randegg von der Rotte Holz in gerader Richtung nach Schnotzendorf. Später erst wurde die heute bequem ansteigende Straße dahin gebaut, während die alte zum Kirchenweg für die Bewohner der Katastralgemeinde Aigen wurde. Wie vor vielen Jahren die Pest auch in Euratsfeld wütete und viele Opfer forderte, wurden infolge des damaligen Massensterbens die Leichen zuweilen mit Leiterwagen an eine Stelle des alten Fahrweges im Hametholz gebracht, wo sie in einer großen Grube bestattet wurden. Eines Tages rollte abermals ein mit Pestopfern beladener Wagen, auf dem sich auch der Leichnam eines jungen und schönen Mädchens befand, an jene Schmerzensstätte heran. Die Leichen wurden zur Bestattung abgeladen und die Fuhrleute schickten sich zur Rückfahrt an. Da wendete einer nochmals den Blick nach rückwärts und bemerkte zu seinem großen Erstaunen, daß jenes Mädchen, dessen Ableben besonderes Mitleid erregt hatte, auf dem Rasen saß und seine Haare zu Zöpfen flocht. Wie im Fluge verbreitete sich die Nachricht über dieses seltene Ereignis. An jene Stelle setzte man ein Kreuz, das heute noch den vorbeigehenden Wanderer an das Wunder der Errettung von dieser furchtbaren Menschheitsgeißel erinnern soll. Der Weg aber, der dort das ehemalige Massengrab berührt, bekam den Namen "Wundergasse". (Werner.)
Quelle: Sagen aus
dem Mostviertel, gesammelt von der Lehrerarbeitsgemeinschaft des Bezirkes
Amstetten, Hrsg. Ferdinand Adl, Amstetten 1952, S. 11
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Norbert Steinwendner, Mai 2006.
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