Jakobus im Schnee.
Wie die Legende berichtet, führte der Apostel Jakobus, zubenannt der Jüngere, erster Bischof von Jerusalem, mit Gebet und Abtötung ein so heiligmäßiges Leben, daß ihn Gott, auch da er noch auf Erden wandelte, durch Wunder verherrlichte und so seine Predigt beglaubigte.
Einmal war im Lande eine große Dürre, aber auf des Heiligen Gebet rauschte plötzlich ein ausgiebiger Regen herab und erquickte die Felder und stärkte die Hoffnung der Menschen auf eine gute Ernte. Seitdem gilt St. Jakobus im Volke als Wettermacher, und die Wolfsteiner haben gut daran getan, sein steinern Bildnis in der Burgkapelle aufzustellen und sich in den wichtigsten Bedürfnissen des Landmannes vertrauensvoll an ihn zu wenden.
Und es war ihnen der Heilige allzeit auffallend gnädig. Hatten zum Beispiel die Gansbacher, so doch kaum zwei Wegstunden entfernt Hausen, Sturm, daß die halbreifen Äpfel und Birnen nur so von den Bäumen hagelten und die Äste zerbrachen, so erfreuten sich die Wolfsteiner des geruhigsten Wetters bei sonnigstem Sonnenschein und blauestem Himmel, jeglicher Schauer entlud sich über die Gansbacher Felder, der Brand nistete in ihrem Korn, grimmer Frost brannte Laub und Blüten, indes St. Jakobus seine Arme allfort segnend und schützend über die Wolfsteiner Fluren ausbreitete.
Begreiflich, daß die Gansbacher ihren Nachbarn einen so wirksamen Heiligen nicht wenig neideten, ja sie vermaßen sich, hoffend, es werde dem Jakobus in ihrer schönen Kirche weit besser gefallen als in der zerbröckelnden Burgkapelle, das Bildnis in verschwiegener Nacht, da die Wolfsteiner ahnungslos schliefen, zu entführen.
Man denke sich den Schreck der Wolfsteiner, als sie Tags darauf die Kapelle leer fanden und sich alsbald der gestrenge Winter mit furchtbarem Gestöber und Schneewächten einstellte, so daß ein mitleidiger Christenmensch keinen Hund vor die Türe hätte jagen mögen.
Nun ... der alte Lehenbauer im Siedlgraben war kein Hund und war des sonntäglichen Abendtrunkes im nahen Wirtshause so gewohnt, daß er sich auch durch das Unwetter nicht abhalten ließ, sein Maß prickelnden Mostes hinter die Binde zu gießen. Es fanden sich aber im Wirtshause auch etliche Jäger und andere wetterharte Waldleute ein, und die sprachen so vergnügsames Latein, daß der Krüglein mehr als gewöhnlich wurden und die Nacht schon weit vorgeschritten war, als sich der Lehenbauer wieder einmal auf den Heimweg machte.
Aber ... was mußte er sehen! Eben wollte er in seinen Graben einbiegen, da stapfte von der Gansbacher Seite her gar kräftiglich durch den tiefen Schnee, von Flocken umwirbelt, eine große Gestalt und schritt, sich auf einen mächtigen Stock, einer Keule gleich, stützend, schnurstracks der Kapelle zu.
"Du lieber Gott und alle guten Geister", dachte der Lehenbauer und besegnete sich, "wenn das nicht der heilige Jakobus ist, will ich Peter Zapfl heißen! Freilich ist er's ... Tragt er ja die Keulen, mit der ihn die Juden haben totgeschlagen. Na ... so was!"
Und mühte sich, eifrig betend, seinem Hause zu.
Und richtig ... welch Wunder! Wie der Lehenbauer am nächsten Morgen in gelinden Zweifeln, ob er auch recht gesehen habe oder auf eine Irrwurzen getreten sei oder ob gar der verflixte Most ... , in der Kapelle nachsah, stand der Heilige wieder auf seinem alten Platze! Mochte ihm die schöne Gansbacher Kirche halt doch nicht so gut gefallen haben wie die dürftige Kapelle in Wolfstein! Halt ja ... daheim ist's allweil am schönsten, und wer seine Heimat warm im Herzen trägt, dem ist die armseligste Hütte tausendmal lieber als selbst der goldigste Palast.
Übrigens ... in selbiger Nacht noch, da der Heilige heimgekommen ist, hat das böse Wetter gänzlich aufgehört und sich so des guten Schutzherrn große Macht klärlich erwiesen.
Es hat sich aber seit jenen Tagen der gutmütige Heilige auch den
Gansbachern gnädiger gezeigt; denn, hatten sie auch durch des Bildnisses
Entführung gefehlt, so war der Fehler doch ihrem Vertrauen entsprungen,
und das sollte nicht zuschanden werden. Gefehlt hatten wohl auch die Wolfsteiner,
indem sie das Bild in unversperrter Kapelle zu wenig bewachten, und also
verteilt Jakobus nunmehr und in alle Zukunft das Wetter gleichmäßig,
gutes und schlechtes durcheinander, auf daß die Leute weder übermütig
werden in Wohlleben noch verzagen in Not, allfort doch wissen, es sei
die Erde kein Himmelreich.
Quelle: Wachausagen, Erzählt und allen Freunden
der goldenen Wachau gewidmet von Josef Wichner. Krems an der Donau. [1920].
S. 39 - 42.
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Lisa
Lemberg, Jänner 2005.